"Was für ein Vogel bist du?"
Wes Anderson ist mit Moonrise Kingdom eine weitere Komödie auf hohem Niveau und mit außergewöhnlichem Plot gelungen.
Von Jochen Henke (2012-05-24)
Die Geschichte ist so einfach wie genial: Sommer 1965, USA, Neuengland. Auf der Halbinsel Penzance Island verlieben sich die ortsansässige Suzy (Kara Hayward) und der Boyscout Sam (Jared Gilman) ineinander. "Was für ein Vogel bist du?" fragt Boyscout Sam in die örtliche Kiddie-Theatergruppe und weist mit dem Finger auf die in einem Raben-Kostüm dasitzende Suzy.
Dann nehmen die Dinge ihren Lauf. Die beiden Zwölfjährigen wollen ihr eigenes Leben leben und büchsen aus, was zur Folge hat, dass eine große Suchaktion gestartet wird. Das gesamte Zeltlager der Pfadfinder ist hinter ihnen her, der örtliche Sheriff, die Jugendamtsvertreterin, die Eltern und das ganze Inselvolk.
Das Kiddie-Paar aber ist nicht so leicht zu fassen, denn Boyscout Sam wendet seine erlernten Kenntnisse aus der Pfadfinderschaft an. Sie schaffen es zu ihrem Ziel, ihrem "Moonrise Kingdom", einer kleinen Bucht, in der sie ungestört fröhlich und verknallt sein können, Schabernack treiben und auf die restliche Welt um sie herum nichts geben.
Dem Wunderkind der anspruchsvollen Komödie, Wes Anderson, der inzwischen das Ansehen eines Woody Allen genießt, ist mit Moonrise Kingdom - Eröffnungsfilm beim diesjährigen Filmfest in Cannes, Vorpremiere in der Dortmunder Camera am 22. Mai - ein weiterer Leckerbissen für Cineasten gelungen. In seinen Filmen wollen längst so manche Stars unbedingt mitspielen, auch - wie bei Allen - für kleines Geld. Das war bei den Royal Tenenbaums (2001) und Darjeeling Limited (2007) so und ist bei Moonrise Kingdom nicht anders, nur dass diesmal mehr Hochkaräter als sonst dabei sind.
Bruce Willis etwa, der den wortfrechen Sheriff Sharp abgibt; Tilda Swinton, die als Jugendamt auftritt; Harvey Keitel als Commander Pierce; Jason Schwartzman als einer der Pfadfinder-Gruppenleiter mit Namen Cousin Ben; die exzentrischen Eltern von Suzy, Bill Murray (Walt Bishop) und Frances McDormand (Laura Bishop); und Edward Norton als Scout Master Ward.
Mit einigen dieser Stars hat Anderson bereits früher zusammengearbeitet, so mit Jason Schwartzman in Darjeeling Limited. Auch Kameramann Robert D. Yeoman (Royal Tenenbaums; Darjeeling Limited) ist erneut mit von der Partie. Doch dass Anderson den neben den im gehobenen Wortwitz geübten Stars Bill Murray (Lost in Translation) und Frances McDormand (Fargo; Burn After Reading) Superstars Bruce Willis und Edward Norton außerordentliches Komödiantentum abverlangt, das diese in Bestform abliefern, zeigt die große Klasse des Filmemachers.
Besonders Edward Norton, bekannt aus Hauptrollen in Thrillern (The Italian Job; American History X; Fight Club) und Dramen (The Illusionist; Das Gesetz der Ehre; Zwielicht) läuft zu bestechender Form auf und spielt Scout Master Ward so überzeugend als hätte er sein ganzes Leben als Baden Powell verbracht.
Dass die Stars ihr schauspielerisches Vermögen derart herausragend unter Beweis stellen können, liegt nicht zuletzt am Drehbuchautor Roman Coppola. Der Sohn des Regisseurs Francis Ford Coppola, Bruder der Filmemacherin Sofia Coppola und Cousin von Nicholas Cage, schrieb bereits das Drehbuch zu Darjeeling Limited.
Coppolas Script, Andersons Regie, Yeomans Bilder und die Darbietungen der Schauspieler, zu denen auch eine Riege von unerfahrenen, aber toll auftretenden Kids gehört, dazu ein Soundtrack der Extraklasse - mit Musik von Hank Williams, Françoise Hardy, Benjamin Britten, Alexandre Desplat ... -, sorgen für einen Filmspaß, bei dem kaum ein Auge trocken bleibt und das Zwerchfell mächtig beansprucht wird.
© Jochen Henke
© GeoWis (2012-05-24)
Filmstart in Deutschland: 24. Mai 2012.