Die Konsequente
Während in Europa noch die weiblichen Altstars Hollywoods gefeiert werden, hat sich in der Filmhauptstadt eine wahre Verwandlungskünstlerin nach vorne gespielt: Anne Hathaway
Von Liz Bremer (2007-02-17)
Mit 19 hatte sie als Mia Thermopolis vor sechs Jahren in The Princess Diaries (Plötzlich Prinzessin) ihre erste Kino-Hauptrolle. Anne Hathaway spielt eine bebrillte College-Schülerin in Schuluniform, die in den Alphamann der Schule verliebt ist, der sie jedoch abweist. Erst als sie von ihrer Groβmutter, gespielt von Julie Andrews, zur rechtmäβigen Regentin eines fiktiven Mini-Königreichs zur Übernahme des Zepters in ein dem Hofe willkommenes Outfit gepackt wird und sich der Brille entledigt, fällt sie als Schönheit auf.
Es folgten das Liebesdrama The Other Side of Heaven (2001), worin sie die weibliche Hauptrolle spielt, die Literaturverfilmung Nicholas Nickleby (2002), in der sie die Madeline Bray verkörpert, und die Hauptrolle in Ella Enchanted (2004), bevor sie für Disney noch mal die Mia Thermopolis in The Princess Diaries 2: Royal Engagement (2004) gab.
Es war ihre vorerst letzte Komödie nach simplem Strickmuster. Konsequent suchte Hathaway sich zum Leidwesen ihres Agenten fortan nur noch Rollen aus, die mit dem Image des braven Mädchens brachen. Prompt lieβ sie in Havoc (2005), einem im Gangsta-Milieu von East Los Angeles angelegten Thriller, die Hüllen fallen und reüssierte, natürlich als Hauptdarstellerin, in delikaten Szenen.
Regisseur Ang Lee besetzte sie im selben Jahr in seinem Anti-Western Brokeback Mountain. Hathaway brillierte als leicht durchtriebenes Countrygirl Lureen. Als Andrea - Andy - Sachs und kongenialer Gegenpart Meryl Streeps in The Devil Wears Prada (2006) bewies sie einmal mehr ihre Vielseitigkeit.
Die in der metropolitanen Region New Yorks geborene Schauspielerin, nach eigener Aussage der weibliche Spross einer zur gehobenen Mittelschicht gehörenden Familie - Vater Anwalt, Mutter Theaterschauspielerin - gilt als bodenständig. Das branchenübliche Partyleben meidet sie, wo immer es sich erlaubt. Alkohol oder andere Drogen sind ganz und gar nicht ihr Ding. Magersüchtige oder entsprechend aussehende Models lehnt sie ab. Es gebe "nur wenige Models, die von Natur aus eine solche Figur" hätten, sagt sie.
Hathaway, eine überzeugte Vegetarierin, die nichts für den in Hollywood herrschenden Fitness- und Abspeckwahn übrig hat, war und ist abseits ihres Jobs als Kino-Schauspielerin auch sonst gut unterwegs. Neben einer Vielzahl an TV-Auftritten singt die Sopranistin oder leiht ihre Stimme Figuren in Animationsfilmen und ausländischen Produktionen, so in Hoodwinked! als Red (2005) oder in Neko no ongaeshi (The Cat Returns), einer japanischen Produktion, als Haru (2002).
Ohne Glamour und Charity-Events widmet sie sich pragmatisch auch Menschen, denen Geld nicht mehr hilft. So ist sie Beraterin beim Lollipop Theater Network, das todgeweihten Patienten in Kliniken Filme vorführt. Im Step Up Women's Network bekleidet sie ein Ehrenamt, und dem amerikanischen Bible Belt kann sie nichts abgewinnen, insbesondere dem katholischen Flügel nicht, der neben vielen anderen auch Schwule diskriminiert. Annie, wie ihre Freunde und Verwandten sie nennen dürfen, sogar sollen, hat einen schwulen Bruder, den sie liebt. Da lässt sie sich auf fundamentalistische Gruppen gar nicht erst diskursiv ein.
Anne Hathaway will kein nice girl sein. Das verbietet ihr schon ihr Bildungsstand. Sperrige, ihren Individualismus hervorhebende Aktricen hat Hollywood selten gemocht, sieht man von der Zwischenzeit der 1960er/1970er Jahre ab, aber es ist ja nicht mal klar, ob Anne Hathaway Hollywood mag. Sie ist klug, wild und selbstbewusst. Sie kann alles - Drama, Komödie, Thriller, 19. Jahrhundert, Erotik und Sex, frivol, dumm, dreist, besorgt, melancholisch, angespannt, hysterisch, cool, intellektuell, und so weiter.
"Nicaragua" habe ihr die Augen geöffnet. Kein Film. Wirklichkeit. 2006 war sie dort und hat Hand angelegt beim Impfprogramm gegen Hepatitis A. Klar, dass so eine auf Oskarnominierungen zu warten hat, vor allem auf die Trophäe selbst. Dabei hat Hathaway längst unter Beweis gestellt, eines Oskars würdig zu sein.
Unter Cineasten wird sie bereits als europäischste amerikanische Jungschauspielerin gehandelt, als eine amerikanische Emanuelle Béart, wenngleich sie bisher noch nicht so viele eindeutige Szenen in Filmen hatte. Hathaway gleicht dies einstweilen in provokanten Outfits aus, sobald es um wirksame Auftritte geht.
Ang Lee, der zu den bedeutenden Regisseuren in Hollywood gehört, hat Hathaway abseits all jener, die der Schauspielerin nur noch immer 'Talent' bescheinigen, als Charakterdarstellerin erkannt und sie in seinem Film Becoming Jane (2007) mit der Hauptrolle zur Schriftstellerin Jane Austen bedacht. Ein Leichtes für Hathaway, scheint diese Rolle ihrem Naturell doch extrem nahe zu kommen.
Vielleicht hat sie, ohne es zu wissen, längst eine neue Zeit - zumindest partiell - in Hollywood eingeläutet, vor allem aber einer neuen Generation von Darstellerinnen den Weg bereitet. Mit gerade 24 ist sie schon Idol, obwohl sie selbst noch Vorbilder hat. Etwa Meryl Streep, in deren Nachbarschaft sie aufwuchs.
© Liz Bremer
© GeoWis (2007-02-17; 18:08:26)
© Fotos: Wireimage; Lighthouse Ltd.