Kunst mit den Geistern
Die Künstlerin Vesna Tenodi liegt schwer im Clinch mit den Aboriginals, weil sie sich an heilige Themen macht
Von Maik Mensing (2010-03-20)
Sie werde schon bald einen fürchterlichen Tod sterben, wurde Vesna Tenodi von Aboriginals prophezeit, wobei diese Prophezeiung eher einer Drohung gleichkommt. Anlass für derart Derbes hat die im australischen Katoomba mit ihrem Mann Damir lebende und arbeitende kroatische Künstlerin mit ihrem Wanjina Watchers in the Whispering Stone gegeben, einer tonnenschweren Sandsteinskulptur, in die Vesna Tenodi Wanjinas hat meißeln lassen und sie farblich abgesetzt hat.
Wanjinas (auch: Wandjina; Wondjina) sind Regen- und Wolkengötter, die in der Mythologie der Aboriginals eine wichtige Rolle spielen - wie die gesamte Mythologie, die auch streng religiöse Züge hat, bei den Ureinwohnern Australiens sakrosankt ist. Sich ihrer zu bedienen, ist Außenstehenden normalerweise nicht erlaubt. Bei den Wanjinas sind die Hüter des aboriginalen Vermächtnisses sogar besonders streng.
Das Gesetz der Aboriginals sei im Hinblick auf die Wanjinas sehr speziell, sagt Chris Tobin, Mitglied der Darun-Aboriginals und als Guide angestellt beim National Parks and Wildlife Service, dem Sydney Morning Herald. "Es ist völlig unangebracht, dass Nicht-Indigene sich an Wanjinas versuchen, vor allem, wenn sie dazu keine Erlaubnis haben."
Tobin habe Tenodi davor gewarnt, ihr Skulpturenprojekt zu realisieren. Was die Künstlerin ignorierte. Sie beauftragte den Bildhauer Ben Osvath, die Wanjinas in einen achteinhalb Tonnen schweren Sandstein zu meißeln, der am 6. März dieses Jahres enthüllt wurde und von Tenodi als "magischer Stein mit speziellen Heilkräften" bezeichnet wird. In der Nacht vor der Enthüllung war er mit einer Axt malträtiert worden.
Nach der Erlaubnis befragt - die sie durch die entsprechenden Vormänner der Aboriginals wohl kaum erhalten hätte -, wird die Kroatin kryptisch-esoterisch. Es sei gar nicht nötig gewesen, um Erlaubnis zu fragen, da die Geister sie gefragt hätten. "Sie haben mir angetragen, die darniederliegende Tradition wiederzubeleben und ich habe zugestimmt", lässt Tenodi sich vernehmen. Mit den Geistern, die sie "Those-Who-Know" und "DreamTimeKeepers" nennt, verbinde sie ein "geheimer Eid". Den religösen Vormännern wirft sie vor, sie hätten sich längst zu weit von der "Spiritualität" entfernt.
So dick trägt Ben Osvath nicht auf. "Einige Leute hier kommen mit der 'Du-stiehlst-unsere-Kultur'-Leier. Aber ich bin Kunstlehrer, und in der Kunst ist alles erlaubt." Dieser Ignoranz hält laut Sydney Morning Herald der Besitzer der Coo-ee Aboriginal Art Gallery im Städtchen Bondi, Adrian Newstead, entgegen: "Nur wenige Aboriginal-Künstler haben jemals die Erlaubnis erhalten, Wanjinas darzustellen. Und auch nur dann, wenn jahrelang Initiationen und Zeremonien vorausgegangen waren. Und dann kommt diese Künstlerin und sagt »Scheiß drauf. Ich mache das, was immer mir gefällt«."
Der Streit begann bereits Ende vergangenen Jahres, nachdem die mit ihrem Mann das ModroGorje Wellness & Art Centre betreibende Künstlerin ihr Buch Dreamtime Set in Stone: The Truth about Australian Aborigines veröffentlicht hatte. Das Werk, in dem sich Wanjina-Illustrationen befinden, brüskierte die Aboriginals ebenso wie die Widmung an die "Aborigines und den Aborigine in jedem von uns."
Inzwischen ist das Künstlerpaar nach Sydney geflüchtet, nachdem ein Anschlag auf sein Haus verübt wurde und die Polizei ihm geraten habe, sich in Sicherheit zu bringen, solange es noch möglich sei.
© Maik Mensing
© GeoWis (2010-03-20)