Dumm und peinlich gelaufen
Die Frankfurter Buchmesse hat noch nicht begonnen, da hat sie bereits ihren zweiten Skandal.
Von Hubertus Molln (2009-09-12)
Seit dem 1. April 2005 ist Jürgen Boos Direktor der Buchmesse Frankfurt, der weltweit größten kommerziellen Messe für Verlage, Autoren, Literaturagenten und Stelldicheins der Branche. In seinem nunmehr vierten Jahr als Chef dieser Veranstaltung hat der 47Jährige kein gutes Händchen bewiesen, indem er China als Gastland eingeladen hat.
China war in den vergangenen Jahren meist üppig präsent auf der Frankfurter Buchmesse und fiel durch eine Vielzahl von Schriften und Büchern zu chinesischer Geschichte - lokal, regional, national - in teils außergewöhnlicher Einbandaufmachung auf, genauso wie durch hochwertig kolorierte und verarbeitete Kinderbücher und politische, marxistisch geprägte Konvolute und Bildbände mit Regionalbezug.
Meist präsentierte sich das Land nach seinen Provinzen und hat die Besucherschaft - etwa 2003 - geradezu magisch auf seinen gut 200 Quadratmetern Ausstellungsfläche angezogen, als es Bücher bis zum Halbmeterformat zu bestaunen gab.
Weshalb Boos und seine Gremien China zur diesjährigen Messe als Gastland eingeladen haben, erschließt sich angesichts Chinas ökonomischer Potenz und literarisch eingeschränkter Freiheiten nicht jedem.
Was sollte da anderes geboten werden als in den Jahren zuvor? Kann man davon ausgehen, daß China neuerdings mit literarisch außergewöhnlichen Autoren aufwartet, die sich abseits purer Unterhaltung bewegen? Oder macht die Buchmesse lediglich einen Bückling gegenüber einem Land, auf das die Welt mit Schnappatmung schaut, seit es sich der Mechanismen modernen Kapitalismusses bedient?
Ökonomisch dürfte sich Chinas bisherige Präsenz auf der Buchmesse genausowenig gerechnet haben wie der Verkauf von Übersetzungsrechten ins Reich der Mitte. China bezahlt selbst für internationale Bestseller beklagenswert wenig, schmeißt dann aber die Druckpressen an, um die - nicht selten zensierten - Westwerke millionenfach für wenige Yuan auf den Markt zu bringen.
Ist schon die Wahl, China als Gastland auf der Buchmesse zu haben, angesichts der ökonomischen Potenz des Landes fragwürdig, erweist sich die Einladung von dissidenten Exil-Chinesen an dem Symposium 'China und die Welt - Wahrnehmung und Wirklichkeit' mit Staatsvertretern als ebenso seltsam.
So hat China dem an diesem Samstag stattfindenden Symposium folgerichtig mit Boykott gedroht, sollten etwa die Schriftstellerin und Regimekritikerin Dai Qing und der in den USA lebende Regimekritiker Bei Ling an diesem Symposium teilnehmen. Boos knickte ein: "Ich bedauere sehr und ärgere mich persönlich darüber, daß es im Vorfeld auf unserer Seite zu Fehlern und unnötigen Kompromissen bei der Organisation und Kommunikation des Symposiums gekommen ist (...)."
Er dachte dann wohl, einen Mittelweg finden zu können, indem er Dai Qing und Bei Ling vom Symposium auslud, ihnen aber die Teilnahme als Zuhörer nicht nehmen wollte. Doch auch das ging ordentlich daneben. Als Dai Qing und Bei Ling kurz vor Beginn des Symposiums Statements abgaben, verließen Angehörige der chinesischen Delegation demonstrativ die Bühne.
Jürgen Boos versuchte, die Situation zu retten. Es gelang ihm - so der Pressesprecher der Buchmesse - durch persönliche Bittstellung bei den Chinesen. In Anwesenheit der gesamten chinesischen Delegation und der beiden Exilanten konnte das Symposium weitergeführt werden.
Boos beteuert: "Wir setzten weiterhin auf einen Dialog mit allen Partnern, den Autoren und Intellektuellen aus China und aus anderen Ländern, dem P.E.N., dem offiziellen China und natürlich mit den Medien." Der wohlgemeinte, allerdings dilettantische Ausflug ins Politische müßte dem Direktor der Frankfurter Buchmesse hingegen eine Lehre sein.
© Hubertus Molln
© GeoWis (2009-09-12)
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