Von Schuhen und Phenol
China wehrt sich gegen den vom Westen eingeleiteten Protektionismus
Von Wang Wei (2010-02-04)
Im Oktober 2006 belegte die EU-Kommission die Einfuhr von Lederschuhen aus China und Vietnam unter der 'Anti-Dumping-Verordnung' mit 16,5 Prozent Strafzoll. Dagegen protestierten die betroffenen Länder zwar, hängten die Sache aber nicht an die ganze große formale Glocke. Wohl auch, weil man davon ausgegangen war, dass dies eine vorübergehende Maßnahme wäre.
Dass dem nicht so ist, bestätigte sich im Dezember 2009, als die EU die künstliche Verteuerung für Lederschuhe aus den beiden Ländern um fünfzehn Monate verlängerte. Nun reichte China Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein und argumentiert, dass der sich gegen chinesische Exporteure richtende Strafzoll gegen eine Reihe von WTO-Regeln verstoße und "Chinas legitime Rechte" verletze.
Wie das chinesische Ministry of Commerce auf seiner Webseite verbreitet, habe man gegenüber der EU "tiefe Besorgnis" zum Ausdruck gebracht und ihr "dringend geraten, den Streit über die 'Schuh-Tarife' durch Konsultationen in einem frühen Stadium" beizulegen. 60 Tage haben die Streithähne nun Zeit, das Problem zu lösen. Im Falle des Scheiterns zu Ungunsten Chinas erwägt das Land, WTO-Experten mit einer Untersuchung des Sachverhalts zu beauftragen.
Es sieht danach aus, als fürchtete sich der Westen und ihm zugeneigte Industriestaaten mittlerweile weniger vor qualitativ mäßigen Billigprodukten aus China, als vielmehr vor gleichwertigen, hingegen preiswerteren Produkten. Ordentliche Schuhe sind da nur ein Beispiel. Im September 2009 erhöhte das US-Handelsministerium die Importzölle für Autoreifen Made in China um 750 Prozent.
Dass derartige Handelshemmnisse auf Dauer nicht fruchten können, lernt man im kleinen Einmaleins internationaler Politik. Oder in der Zoologie. Wer den Tiger in die Enge treibt, wird von ihm angesprungen. Das trifft dann mitunter nicht nur den Westen, sondern auch dessen Vasallen. Anfang Februar 2009 belegte China die Einfuhr von Terephtalsäure aus Südkorea und Thailand mit Importzöllen und verlängerte das Verdikt gerade erst bis August dieses Jahres. Die Chemiekalie ist ein wichtiger Grundstoff zur Kunststoffherstellung.
Am vergangenen Sonntag folgte eine auf fünf Jahre angesetzte Verlängerung der erstmals im Jahr 2004 verhängten WTO-Anti-Dumping-Regeln zum für die Pharma- und Chemieindustrie wichtigen Grundstoff Phenol. Betroffen sind davon Phenol-Exporteure aus Südkorea, Japan, den USA und Taiwan.
Wenn der Tiger die Krallen ausfährt, könnte sich die kurzsichtige protektionistische Handlungsweise des Westens, der in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht müde wurde, den 'freien Markt' zu propagieren, als fulminanter Rohrkrepierer erweisen. Dann nämlich, wenn China in der Lage sein wird, beispielsweise auch den Werkzeug- und Spezialmaschinenbau selbst zu erledigen und Einfuhrzölle auf die bisher vom Westen, vor allem von Deutschland ins Reich der Mitte exportierten Güter erhebt.
Der von der EU initiierte 'Schuh-Konflikt' erscheint als Realsatire. Nahezu sämtliche Marken-Schuhler lassen in China zu vorgegebenen Qualitätskriterien produzieren und es kümmert sie meist wenig, wie die ProduktionsarbeiterInnen entlohnt werden und unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen. Der in Vietnam oder China produzierte Markenschuh kostet dann in der EU schnell einen zwei- bis dreifachen Monatslohn chinesischer oder vietnamesischer ArbeiterInnen.
Wenn nun Länder wie China oder Vietnam hingehen und vom Westen abgeschaute Qualitätsmerkmale in eigene Kreationen legen, allerdings auf die gigantischen Handelsspannen verzichten, die sich westliche Unternehmen leisten, werden sie bestraft.
© Wang Wei
© GeoWis (2010-02-04)
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