Auf dicke Hose
Zur Lösung des Streits um Internetzensur zwischen dem kalifornischen Suchmaschinengigant Google Inc. und dem chinesischen Ministerium für Industrie und Information (MIIT) gibt es kaum Fortschritte. Nun hat Beijing ein Machtwort gesprochen
Von Nina Brenthäuser (2010-03-13)
Wer die Gesetze des Landes nicht beachtet, in dem er sich aufhält, bekommt früher oder später Probleme mit den Behörden. Das ist überall auf der Welt so und gilt für Privatpersonen genauso wie für Unternehmen. Auch für Google Inc., das sich seit Januar 2006 in China geschäftlich betätigt, vor allem mit seiner Suchmaschine.
Damals hatte sich der Konzern mit Stammsitz im kalifornischen Mountain View gegenüber den chinesischen Behörden verpflichtet, seine Suchmaschine so einzurichten, dass gegen Gesetze verstoßende Inhalte herausgefiltert und nicht angezeigt werden. Die hierauf folgenden Vorwürfe gegen Google Inc., sich der Zensur zu unterwerfen, besorgten dem Unternehmen, das Freundlichkeit und Harmlosigkeit als Firmenphilosophie werbewirksam nach außen trägt, einen ersten Image-Schaden.
Fast vier Jahre lang ordnete sich Google Inc. den chinesischen Gesetzen unter und verdiente prächtig, obwohl die Suchmaschine hinter Baidu den zweiten Platz im Reich der Mitte belegt und etwa von einem Drittel der dortigen Internetnutzer angewendet wird. Seit jedoch Mitte Dezember 2009 ein großangelegter Hackerangriff auf Google vollzogen wurde, ist die Stimmung bei den Kaliforniern mies.
Wie umfangreich in den vergangenen Monaten in nationalen und internationalen Medien berichtet wurde, vermute Google die Urheber des Angriffs in China. Harte Beweise hat das Unternehmen für diese Anschuldigungen bisher nicht geliefert, obwohl David Drummond, Chef der Rechtsabteilung des Konzerns, bisher nicht müde geworden ist zu behaupten, man habe Beweise.
Google Inc. weiß die Mainstream-Medien, zumal die US-amerikanischen hinter sich, die wiederum die gemeine Öffentlichkeit im Sinne der Suchmaschine hinter sich vermuten - und die Gerechtigkeit, Demokratie und so weiter -, aber ihr strategische Hintergründe vorenthalten, weshalb die Firma sich bisher als netter Net-Ritter aufspielen kann.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet dieser Konzern, der im Begriff ist, alles an sich zu reißen, was sich im Internet- und Kommunikationsmarkt an sich reißen lässt, und der möglicherweise bereits über mehr Daten und Details von Nutzern seiner Dienste verfügt als die National Security Agency (NSA) der USA, nun jammert.
Der Datenkrake erfährt erstmals, dass ihm Grenzen gesetzt werden und verlässt seine Friedliebigkeit, an die ohnehin nur besonders Naive glauben. Vielleicht ist es ein Menetekel für Google Inc., dass die Firma in China an Grenzen stößt. Längst sind auch in Europa Politiker auf den Datenkraken aufmerksam geworden. Nicht alles was Google ist, ist gut.
Zurzeit ist der Suchmaschinengigant in 124 Ländern aktiv. Was er alles sammelt und wohin er will, haben zum zehnjährigen Bestehen des Konzern beispielsweise Randall Stross (Planet Google - One Company's Audacious Plan To Organize Everything We Know) und Lars Reppesgaard (Das Google-Imperium - Google kennt dich besser als du denkst) aufgeschrieben.
Nun droht Google Inc. damit, sich aus dem Suchmaschinenmarkt Chinas zurückziehen zu wollen, und begründet dies mit der vorgeschriebenen Filterung der Suchergebnisse - der Zensur -, die man nicht länger hinnehmen mag. Aus chinesischer Sicht wird dies als Affront gewertet, zumal sich eine Abkehr vom Filtern gegen bestehende Gesetze richtete.
Zum Vergleich: In Deutschland wurden 1952 die Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 die die Kommunistische Partei (KPD) verboten, da sie mit ihren politischen Ausrichtungen und Zielsetzungen gegen das Grundgesetz verstießen. In China - wie in vielen anderen Ländern - gelten inhaltlich betrachtet andere Verfassungen, die aber im Kern auch verbieten, die bestehende politische Ordnung zu verletzen und das politische System umzustürzen.
Das kann man dort wie hier auf Kompatibilität mit UN-Konventionen und Menschenrechten abklopfen und gut oder schlecht finden. Doch es ändert zunächst nichts an der geltenden Rechtslage eines Landes. Google Inc. hingegen scheint neuerdings sein Faible für Meinungsfreiheit entdeckt zu haben und begegnet China politisch. Man wolle die "Zensur" nicht länger hinnehmen, heißt es aus dem Konzern.
In Beijing sieht man Googles Ankündigung, sich aus dem Suchmaschinengeschäft notfalls zurückziehen zu wollen, gelassen, doch die Drohung, nicht mehr zu zensieren, betrachtet man als Konfrontationskurs. "Google wird die Konsequenzen tragen", zitiert die Zeitung China Daily (Online-Ausgabe) MIIT-Minister Li Yizhong heute unter Bezugnahme auf eine gestern in Beijing abgehaltene Pressekonferenz.
Gleichwohl hat Li Google Inc. dazu ermuntert, seine Geschäfte in China weiterzubetreiben. "Die chinesische Regierung begrüßt es, wenn Google seine Marktanteile im Land ausbaut, solange es die chinesischen Gesetze und Regularien einhält", zitiert ihn China Daily. Doch wenn der Konzern sich nicht daran halte, handelte er "unfreundlich und unverantwortlich (...)."
Die Gespräche zwischen Google Inc. und Beijing sind ins Stocken geraten, Fortschritte nicht erkennbar. Man sei nicht "in direktem Kontakt", so Miao Wei, stellvertretender Minister des MIIT. Li Yizhong ließ sich folgendermaßen zitieren: "Google hat bisher einen guten Job in China gemacht, indem es 30 Prozent des Suchmaschinenmarkts bedient (...). Wenn Google sich dazu entschließt zu bleiben, ist das gut für Chinas Internet-Markt, was wir begrüßen. Aber China respektiert Googles Recht, sich dazu zu entscheiden, sich aus dem Land zurückzuziehen. Dann wird der Online-Markt ohne Google wachsen."
Eine klare Ansage, vielleicht sogar ein deutliches Hinauskomplimentieren. Google Inc. wird es sich gut überlegen müssen, ob es sich aus dem chinesischen Markt zurückzieht, ist das Unternehmen doch auch im Mobilfunkmarkt bereits engagiert.
Andererseits ist Beijing längst klar, dass Google Inc. mit US-Sicherheitsdiensten und US-Regierungsabteilungen zusammenarbeitet. Allzu viel Vertrauen bringt man dem Unternehmen aus Mountain View daher nicht entgegen. Worauf das Land aber genauso wenig kann wie andere souveräne Staaten, ist, wenn ein Unternehmen auf dicke Hose macht.
© Nina Brenthäuser
© GeoWis (2010-03-13)
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