McMurphy in der DNA
Gordon Kormans Buch Born to Rock sprengt den Rahmen des Üblichen an Unterhaltung aus dem Musik-Business. Die Frage ist: Ist es überhaupt ein Genre-Buch?
Von Silke Reinhardt (2010-11-24)
Um es vorwegzunehmen: Nein, es ist kein Genre-Buch. Um Musik geht es nur am Rande, und zwar um Punk. Ein Musikstil, den der Held dieses Romans, Leo Caraway, verabscheut. Damit steht er in seiner High-School-Mini-Clique zunächst ziemlich allein. Seine ihm seit Kindestagen anhaftende gute Freundin Melinda, Punkerin aus Überzeugung, kann damit leben.
Sie hält zu ihm, wenn sich Mitschüler über Leo lustig machen, der der Nachwuchsorganisation der Republikaner angehört und sich in die Titten der aufreizenden Shelby verknallt, die aber mit einem anderen abzieht. Melinda überredet Leo, dem hochbegabten, schwulen Owen Stevenson - IQ 180 - in Mathe, speziell in der Kategorie Vektorenlehre Nachhilfe zu geben.
Während einer Reise mit seinen Eltern nach Kanada linst Leo auf seine Geburtsurkunde, die seine Mutter an der Grenze vorzuzeigen hat, und erfährt so, dass sein leiblicher Vater nicht der ist, der neben seiner Mutter im Wagen sitzt, sondern ein Typ namens Marion X. McMurphy. Leo forscht nach und stellt fest, dass der Kerl der Leadsänger der einstmals wildestens Punk-Band der USA - Purge - ist, die von Melinda vergöttert wird.
Er kauft sich eine CD von Purge, die er nach dem Anhören so weit hinten in seine "Sockenschublade stopfte, dass die CD praktisch nicht mehr im Zimmer war." Nach langem, mit viel Wortwitz beschriebenem Schweigen gesteht ihm seine Mutter, dass sie sich einst auf einem Purge-Konzert zugedröhnt und von McMurphy alias King Maggot flachlegen lassen hatte. Leo ist entsetzt - "Du warst ein Groupie?" -, kann aber jetzt mitreden, wenn es um Purge geht. Das beeindruckt Melinda.
Es ist das letzte Schuljahr. Harvard, Yale und andere Unis stehen auf dem Plan der Eleven. Leo hat ein Stipendium für Harvard. Das löst sich in Luft auf, nachdem er mit einem Betrugsversuch während der Matheklausur konfrontiert worden ist. Leos Vater, einst Broker an der Wall Street, jetzt Inhaber eines Eisenwarenladens, kann die Studiengebühren nicht aufbringen.
Da kommt Leo der Zufall zu Hilfe, indem Purge nach etlichen Jahren in der Versenkung zu einer Tournee ansetzen und er von Melinda ein Ticket geschenkt bekommt. Leo nimmt sich fest vor, seinen leiblichen Vater kennen zu lernen und sich von ihm die Studiengebühren bezahlen zu lassen. Doch es kommt alles erst mal ganz anders und Leo, Melinda und Owen erleben den Sommer ihres Lebens.
Dem Vielschreiber Korman (über 70 Werke) ist mit Born to Rock, das in den USA und Kanada bereits 2008 erschien, ein wunderbares Buch gelungen, das man schon nach Seite eins nicht mehr aus der Hand geben möchte.
In der Ich-Form geschrieben, schwappt einem eine Welle extrem amüsanter Erzählung entgegen, die ihresgleichen sucht. Ständig passiert etwas, das meiste davon in Leos Kopf, und wie aus einem Guss sprudeln dem Leser Sätze wie "Keine Ahnung, wer den Hummer zurück zum Hotel fuhr, Pete musste jedenfalls getragen werden" oder Dialoge wie "Das hier ist ein Club. Hunde sind nicht erlaubt" - "Der Hund gehört Max Plank" entgegen.
Dass das Rasante und durchaus Humoristische dieses Romans so gut zum Ausdruck kommt, ist auch das Verdienst des umtriebigen, in Berlin lebenden Übersetzers Jörn Morisse, dem man den einzigen sprachlichen Lapsus - "Die Tür war offen und das Zimmermädchen war am Staubsaugen" - nach dieser frech-fröhlichen Lektüre gerne verzeiht.
© Silke Reinhardt
© GeoWis (2010-11-24)
Gordon Korman: Born to Rock. Aus dem Amerikanischen von Jörn Morisse. Klapp-Softcover, 210 S., ISBN 978-3-941376-21-2. 1. Auflage, Oktober 2010, Edel, Hamburg.