Who's next?
Vor 40 Jahren hat die Rockgruppe The Who ihr bahnbrechendes Album Who's Next veröffentlicht. Nie hatten ein Albumtitel und zwei dessen Songs größere Bedeutung als in diesen Tagen, in denen es in der arabischen Welt kracht.
Von Tom Geddis (2011-02-01)
"Out here in the fields, I farm for my meals, I get my back into my living", singt die britische Rock-Band The Who 1971 in der ersten Strophe ihres Songs Baba O'Riley, der Millionen von Hörern irrigerweise als Teenage Wasteland bekannt ist, weil dies der Refrain des Songs ist, der mit einem herausragenden Instrumentalismus ausklingt. Es ist ein Song, der auf das damals blutleere politische System und die Desolation der Jugend Großbritanniens zielt, flugs zur globalen Hymne von Rockmusikfans wurde und bis heute nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt hat.
Keith Moon, der früh verstorbene Schlagzeuger der Band, hatte den instrumentalen Ausklang komponiert. Jahre später sollte ihn der Monstergeiger Nigel Kennedy auf eine neue Bewusstseinsebene des Hörgenusses befördern, indem er bei einem Konzert der Who in der Londoner Royal Albert Hall wie um sein Leben fidelte.
Ebenfalls auf dem Album befindet sich der Welthit We Won't Get Fooled Again, in dem es etwa heißt: "We'll be fighting in the streets, with our children at our feet, and the morals that they worship will be gone, and the men who spurred us on sit in judgement of all wrong. They decide and the shotgun sings the song." Selten zuvor trafen die Songs eine Rocklegender so zu wie bei The Who in Zeiten der Götterdämmerung afrikanischer und arabischrer Despoten.
Als hätte die Jugend der arabischen Welt, inbesondere der tunesischen, ägyptischen, jordanischen und jemenitischen nie eine andere Musik gehört, bringt sie doch seit Wochen ihre Unterdrückerregime nicht nur ins Wanken, sondern ins Stürzen. Sie packt sie regelrecht an deren Eier, greift dahin, wo es wehtut und entlarvt die Diktatoren und Regierenden als armselige, eierlose Regenten, die nur kraft der Unterstützung ihrer rigorosen Geheim- und Sicherheitsdienste und monetärer Zuwendungen des Westens am Tropf gehalten werden.
Und fegt sie nun hinweg. Tunesiens Ex-Präsident Ben Ali wird mit internationalem Haftbefehl gesucht; Ägyptens Diktator Husni Mubarak steht vor dem Sturz. Die Jugendlichen, Bauern und Städter wollen raus aus der politischen und gesellschaftlichen Ödnis, in der sie seit Jahrzehnten festsitzen. Sie wollen nicht weiter zum Narren gehalten, drangsaliert und in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten werden und sind bereit, dafür zu kämpfen.
Wie während der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, scheint nun erneut eine Ära für Revolutionen angebrochen. Diesmal auf dem afrikanischen Kontinent und im Nahen Osten. Die Befreiungskämpfe der 1950er und 1960er Jahre, während denen sich etwa die afrikanischen Völker ihrer Kolonialmächten entledigten, stehen ebenso Pate für die Volksaufstände in Nordafrika.
Damals galt Frantz Fanons Buch Die Verdammten dieser Erde (Les damnés de la terre) als einflussreichster kultureller Wegbegleiter der alphabetisierten revolutionären Schichten. Nicht auszuschließen, dass das Buch auch heute noch Wut auf herrschende Klassen bei Lesern hervorruft. Denn wie in Tunesien, sind auch in Ägypten, Jordanien und dem Jemen Studierende auf der Straße, die in eine von Meinungsfreiheit und sozialer Partizipation geprägte Gesellschaftsform aufbrechen wollen.
Sie versprechen sich keine Unterstützung vom Westen. Sie lehnen sie sogar ab, denn sie sind es leid, bevormundet zu werden. Dennoch muss der Westen jetzt aktiv werden. Das kann er am besten, indem er Diktatoren und Despoten wie Mubarak der Reihe nach und ohne Ausnahme schleunigst fallen lässt, bevor er die Zeitenwende verpasst. Schon bald könnte Libyens Ghaddafi aus seinem Zelt vertrieben werden.
© Tom Geddis
© GeoWis (2011-02-01)
Baba O'Riley (1970er)
Baba O'Riley mit Nigel Kennedy (2000er)
We Won't Get Fooled Again (1970er)