Die Späterkenner
Die Universität Bayreuth ist durch Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertationsmachwerk schwer in die Bredoullie geraten. Ihr Umgang mit dem prominenten Fälscher ist alles andere als professionell.
Von Jochen Henke (2011-02-24)
Normalerweise ist Bayreuth für seine Festspiele bekannt. Aufmerksamen und Kennern der Opernszene dürfte noch in Erinnerung haften, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel dort vor drei Jahren in einem grünen Kleid mit tiefem Ausschnitt auflief und Janet Jacksons Tittigate fulminant in den Schatten stellte. Dass es in Bayreuth auch eine Uni gibt, war den meistens Bundesbürgern bisher eher unbekannt. Nun wissen es alle, die sich der Berichterstattung über Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktorarbeit nicht entzogen haben.
Die eher beschauliche, erst 1975 gegründete, Uni mit elitärem Anspruch ist inzwischen durch ihre Fakultät für Rechtswissenschaften mächtig in Misskredit geraten, weil sie dem gegenwärtigen Bundesverteidigungsminister die Doktorwürde verlieh. Schmerzen muss dies vor allem den bereits bei Einreichen der Guttenberg-Dissertation emeritierten Doktorvater Peter Häberle, inzwischen 76, und die sonst noch mit der mit summa cum laude bewerteten Arbeit Befassten.
Mittlerweile darf sich der universitäre Lehrkörper der Fakultät nicht nur von einem wissenschaftlichen Scharlatan genasführt vorkommen, sondern muss sich wegen seines desolaten Umgangs mit der Causa an die eigene Nase fassen. Die kleine und feine fränkische Universität, die zu ihren Förderern etwa die Prinz-Albert-Gesellschaft e.V., das Bayreuther Forum Kirche und Universität und die Stiftung Internationale Unternehmensführung zählt, steht zum Leidwesen ihrer Studierenden für ein Krisenbewältigungsmanagement, das unter aller Kanone ist.
Am 16. Februar erklärte der Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni, Dr. Markus Möstl, unter Bezug auf die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung (SZ) zu Plagiaten in der Guttenberg-Dissertation: "Wir prüfen jetzt, ob diese Vorwürfe berechtigt sind." Am gleichen Tag ergänzte der Präsident der Uni, Dr. Rüdiger Bormann: "Wir werden die an der Universität Bayreuth vorgesehenen Verfahrensschritte nutzen." In der Mitteilung ist unter anderem noch die Erklärung, Guttenberg zu einer schriftlichen Stellungnahme auffordern zu wollen.
Der in die Kritik geratene Verteidigungsminister ließ zunächst - "ich betone, vorübergehend" - die Führung des Doktortitels ruhen. Angesichts sich häufender Plagiatsvorwürfe, maßgeblich befördert durch die Schwarmintelligenz des Internets in Gestalt der Webseite GuttenPlag, gab Guttenberg seinen Titel am 21. Februar zurück - juristisch ein zumindest fragliches Vorhaben - und rühmte sich anschließend eigener Aufrichtigkeit, die vorbildlich sei.
Offenbar überrollt vom schnellschießenden Verteidigungsminister, sah sich die Uni Bayreuth genötigt, es ebenso schnell zu machen und ihm den Doktortitel offiziell am 23. Februar abzuerkennen, nachdem der Summa-cum-laude-Promovierte in einem Brief an sie eingestanden hatte, dass er "gravierende handwerkliche Fehler" beim Abfassen der Arbeit gemacht habe. Bormann legte Wert auf die Feststellung, dass die Aberkennung auf Verstößen gegen das wissenschaftliche Arbeiten beruhe. Ob Guttenberg "getäuscht" habe, sei auf Grund der Kürze der Zeit nicht ermittelt worden.
Guttenberg, ganz im Wahn parteipolitischer Interessenswahrung, nivellierte seine Doktorabeit zum Entsetzen seines Doktorvaters Häberle zwei Tage zuvor noch, indem er einem völlig neben der Spur sitzenden CDU-Publikum im hessischen Kelkheim halb demütig, halb arrogant, auf jeden Fall aber überzeugt vortrug, er habe "Blödsinn" verfasst. Die Hessen-CDU-ler applaudierten. Womöglich halten sie sich für Demokraten. Dass ihr Starship Trooper an übersteigertem Ego und Realitätsverlust leidet, hat das verneigte Publikum entweder nicht bemerkt oder wohlwollend übersehen.
Für die Uni Bayreuth ist Guttenberg der Supergau. Manch professoraler Erkenntnis sind Jahre oder Jahrzehnte an Forschung vorausgegangen, bevor sie in die Öffentlichkeit gelangt. Das weiß man und es ist insbesondere den mit universitärer Forschung Befassten bekannt. Ein Ei ist ein Ei, das weiß jeder. Manchmal aber ist ein Ei erst ein Ei, wenn das Ei als Ei auch von Eier-Forschern als solches erkannt und verifiziert worden ist.
Im Fall der Guttenberg-Dissertation handelt es sich auch um ein Ei - und zwar um ein faules -, das der smarte Minister seinem Doktorvater und seiner Fakultät untergejubelt hat. Dass es aber einer langwierigen Prüfung durch die Uni Bayreuth bedürfen sollte, um dies festzustellen, wo es, das Dissertations-Ei, doch schon prominent stank, ist sonderbar.
Das Herumeiern der Uni Bayreuth hatte sich die professionelle Pro-Guttenberg-Fraktion flugs zu Eigen gemacht, etwa gestern in der WDR-Sendung Hart, aber fair. Dort bauten CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und der Leiter des Hauptstadtbüros der Bild, Blome, auf die von der Uni Bayreuth versäumte Feststellung zur Täuschung und wagten sich gegenüber dem SPD-Mann Thomas Oppermann, immerhin Volljurist und ehemaliger Richter, weit vor, um ihr gegeltes Flaggschiff Guttenberg zu verteidigen.
Die Uni beeilte sich, PDFs zur Promotionsordnung und "Regeln zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten" auf ihre Webseite zu stellen. Die Uni, die beispielsweise in Asien für ihren Elite-Charakter trommelt und daher viele asiatische Studierende zu ihren Kunden zählt - die inzwischen mächtig irritiert von dem sind, was in Rede steht -, trat heute die Flucht nach vorn an. Laut des Radiosenders WDR 2 prüfe sie nun doch, ob Guttenberg vorsätzlich getäuscht habe.
Sollte sie dies nach Abschluss ihrer Prüfung bejahen, droht dem Verteidigungsminister ein heißer Frühling und der unausweisliche Rücktritt. Es wäre ein Gewinn für die politische Kultur in diesem Land. Wie lange es dauert, bis die Uni Bayreuth ihre Reputation wiedererlangt hat, steht in den Sternen.
© Jochen Henke
© GeoWis (2011-02-24)
Update (2011-03-01): Karl-Theodor zu Guttenberg trat heute um 11.15 Uhr von allen Ämtern zurück.
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