Der letzte seiner Art
Immer wieder hat BMW Modelle auf den Markt gebracht, die im Laufe der Jahre zu regelrechten Liebhaberfahrzeugen avancierten. Der 525d Touring der Reihe E39 ist eines davon.
Von Ralf Tenhagen (2012-01-04)
Zwanzig Jahre ist es her, seit BMW erstmals einen Touring der 5er-Reihe auf den Markt brachte, den E34. Sein Nachfolger, Modellreihe E39, gilt Kennern als letzter Klassiker der 5er-Reihe. In den beiden ersten Baureihen des E 39 (1996-2000) gab es den 525er Diesel Touring mit leichter Untermotorisierung als Turbodiesel. 85 und 105 kw, Reihensechszylinder, 12 Ventile, 2498 cm3 Hubraum. Gut 1,7 Tonnen können damit auf eine Maximalgeschwindigkeit von 210 km/h gebracht werden.
Unter wesentlicher Beibehaltung der Designlinie stellten die Münchner ab Herbst 2000 den 525d vor, der den Turbodiesel ersetzte. Nun sorgten ein preisgekrönter neuer Motor (M57/D25) mit 120 kw, gleichem Hubraum und Reihensechszylinder mit 24 Ventilen für maximal 215 km/h.
BMW brach in Technik, Ausstattung und Design mit dem E39 in die Domäne von Jaguar (S-Type) und Mercedes Benz (E-und T-Klasse) ein und überholte zumindest Jaguar locker.
Die Briten wiederum, damals unter dem Dach von Ford und heute Spielzeug der indischen Tata, orientierten sich mit ihrem Kombi X-Type deutlich am 5er Touring. Der zeichnet sich - vor allem in den Modellen ab Oktober 2000 bis zur Einstellung der Produktion im Herbst 2003 - durch hohe Laufruhe und zeitlose, in der Variante mit verchromten Zierleisten und Stiegen schon als klassische Karosse aus.
Für 37.000 Euro Grundpreis war das in der oberen Mittelklasse angesiedelte Fahrzeug in einer bereits ordentlich ausgestatteten Variante zu haben. Zum Standard des 525d gehören eine Vielzahl technischer und komfortabler Nützlichkeiten, die man allerdings seinerzeit bei PKW dieser Preisklasse auch erwarten durfte.
Etwa Airbags für Fahrer und Beifahrer vorne, an den Seiten und in den Kopfstützen, asphärische, elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel, automatische Stabilitätskontrolle plus Traktion (ASC+T), dynamische Stabilitäts- und Bremskontrolle, Abschaltautomatik der Heckscheibenheizung, Klimaautomatik, ABS, elektrische Seitenfensterheber, Car- und Key-Memory, Soft-Close-Automatik für die Heckklappe, Lederlenkrad und -schaltknauf, Funkfernbedienung, Leseleuchten hinten und vorn, Ausstiegsleuchten, Make-up-Spiegel für Fahrer und Beifahrer, Bordcomputer, Check Control und vieles mehr, was heute in die untere Mittelklasse eingeflossen ist, etwa in die 3er-Modelle, und von anderen Herstellern nachgeahmt wurde.
Die Modellvarianten Edition Exclusive (40.820 €) und Lifestyle (42.220 €) bieten noch einiges mehr, so zum Beispiel ein Multifunktionslenkrad zum Betätigen der Freisprechanlage, Stereoanlage und des zuschaltbaren Tempomats, automatisch abblendender Innenspiegel, verschiebbare vordere Armlehne. Wer damals auf sämtliche verfügbaren Zusatzausstattungen Wert legte - Glasschiebedach, hochwertiges Leder, Alarmanlage, Chrom-Zierleisten, Entertainment usw. -, hatte um 70.000 Euro hinzulegen.
Viele Annehmlichkeiten, etwa durch Abdeckungen versteckter zusätzlicher Stauraum im Heck, einfach herausnehmbare und wieder zu arretierende Kofferraumabdeckung, Gepäckraumtrennnetz, Grünkeil-Frontscheibe, einen hinter der Armlehne der Rückbank kaum sichtbar eingefalteten Skisack, Sitzpositionsspeicherung, schnell hochfahrende Sitz- und Rückenheizungen vorne und acht Parksensoren tragen zum überwiegend langlebigen Komfort bei.
Obwohl noch nicht mal ein Youngtimer, ist der E39er Touring als 2,5-Liter-Diesel längst ein beliebter Gebrauchter für Markenwechsler und Umsteiger in die obere Mittelklasse.
Vielfach wird er auch noch von Erstbesitzern gefahren, zumal er im Schnitt mit sechs bis sieben Litern Sprit auskommt und seine wenigen Schwachstellen, die in entsprechenden Foren ausgiebig diskutiert und beschrieben werden, bekannt sind.
So verschleißen die beiden Flexrohre am Vorkat nach etwa 200.000 Kilometern. BMW tauscht in diesem Fall den kompletten Vorkat aus, der brutto knapp 900 Euro kostet. Inklusive Einbau kommt man auf rund 1120 Euro. Freie Werkstätten ersetzen lediglich die Flexrohre, was die Kosten gleich um zwei Drittel verringert.
Gelegentlich hat der Zuheizer des Diesels Probleme, wenn die kalte Jahreszeit beginnt und die Temperaturen unter 6° Celsius fallen. Dann brummt er oder fällt aus. Meist ist die Reparatur keine große Sache. Ebenfalls nichts Großes, aber häufiger vorkommend, ist das Versagen des Heckscheibenwischermotors. Brüche an Kabeln, die zu Parksensoren und Heckleuchten führen, treten auch hin und wieder auf.
Optisch und technisch gut, physikalischen Gesetzen folgend aber schlecht, haben die Münchner die Funktion der Getränkehalter für Fahrer und Beifahrer gelöst, indem sie deren Halteschwerpunkt zu niedrig ansetzten. Getränkebehältnisse von mehr als zehn Zentimetern Höhe kippen in Kurven um.
Im Vergleich, etwa mit seinen Wettbewerbern Jaguar und Audi (A6), bleiben die Schwachstellen und die Kosten für zu ersetzende Verschleißteile bei hoher Laufleistung -Kilometerstände von 200.- 350.000 sind meist der Normalfall, indes überschaubar, zumal die 525er insgesamt - speziell der Diesel - häufig als Firmenfahrzeuge in Dienst genommen und regelmäßig gewartet wurden.
"Mit dem können Sie locker eine Million Kilometer machen", sagt S. Kaya, Inhaber von Skay Automobile in Herne. Man müsse ihn nur fahren, kurze Strecken möge er nicht.
Für verlässliche und gepflegte Modelle mit einer Laufleistung von 150.- bis 300.000 Kilometer auf dem Buckel werden zurzeit zwischen 5.- bis 10.000 Euro verlangt. Nicht unbedingt wenig für einen Gebrauchten. Bedenkt man aber, dass man ein Fahrzeug erhält, das in seiner Klasse extrem hohen Komfort, vergleichsweise niedrigen Verbrauch und ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Sicherheit bietet, relativiert sich der Anschaffungspreis schnell.
Zumal man für diesen Anschaffungspreis häufig ein Modell erstehen kann, das über Diebstahlsicherung, Alarmanlage, Business-Radio inklusive CD-Player und ausgeklügelter Surround-Stereoanlage und weitere großartige Kleinigkeiten verfügt.
Wer noch den Vorkat gegen einen Rußpartikelfilter austauschen lässt (ca. 1000-1200 €) - was angesichts fortschreitender EU-Umweltweltschutzhysterie zu empfehlen ist -, der könnte das Auto ein Lebenlang, zumindest aber mühelos bis zum Erreichen des Oldtimer-Status fahren. Für reine Geschwindigkeitsjunkies ist dieser Diesel natürlich keine Option. Hier empfehlen sich die Benziner, die allerdings deutlich mehr schlucken.
Korrosion kennt der E39 nicht, da Chassis, Karosserie und der überwiegende Teil der Fahrwerkskomponenten aus Aluminium gefertigt sind. BMW-Angaben zufolge war der E39 das weltweit erste serienmäßige Auto mit einem so bezeichneten Leichtbaufahrwerk.
Das sorgt einerseits für eine ordentliche Gewichtsreduktion, andererseits - mit Hilfe der genannten technischen Raffinessen - verbessert es die Fahreigenschaften deutlich, vor allem in Kurven, unter Beibehaltung typischen BMW-Straßenlagen-Feelings, wie man es von seinen Vorgängern gewohnt war.
Der 525d Touring - wie auch die Limousine - erweist sich selbst nach 300.000 Kilometern noch als zuverlässiges Lasttier, das auch mit voller Zuladung Kilometer um Kilometer abreißt, ohne den Fahrkomfort zu beeinflussen. Im Vergleich mit seinen optisch aufgepumpten Nachfolgern ab Baujahr 2007 wirkt er zwar geradezu schmächtig, besonders, wenn man ihn von hinten betrachtet, aber er hat das Charakteristische eines Klassikers, das den neueren Modellen schon jetzt abgeht.
Er ist gleichermaßen eine großräumige Familienkutsche wie auch elegantes Geschäftsfahrzeug. Je nach Auge des Betrachters wirkt er schnittig, unprätentiös, stabil, massiv, luxuriös, sportlich oder robust. Den meisten 525er Diesel Tourings sieht man außerdem nicht an, dass sie 525er Diesel sind, weil viele Erstkäufer auf die chromierte Typenbezeichnung am Heck verzchteten. Ein Understatement-Merkmal, das auch bei anderen E39-Modellen zu finden ist.
Ohne die Nachfolgemodelle dieses Klassikers, der als letzter seiner Art gelten kann, herausragend schmälern zu müssen, kann als Fazit festgehalten werden, dass man beim 525d Touring viel qualitativ hochwertiges Gebrauchtfahrzeug für vergleichsweise wenig Geld erhalten kann.
Das Fahrzeug weist klare Linie auf, schnörkeloses Design, hat noch Stoßstangen und - kleines, aber angenehmes Aperçu - mitdenkende Frontscheibenwischer, die bei Regen an der Ampel ohne Eingreifen des Fahrers in einen Ruhemodus gehen. Was will man mehr?
© Ralf Tenhagen
© GeoWis (2012-01-04)
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