Tricky Micky
Berlins Kurzzeitsenator für Justiz und Verbraucherschutz erhält sechs Monate lang Übergangsgeld, nachdem er erfolgreich um Entlassung gebeten hat.
Von Hubertus Molln (2011-12-16)
Seine Perspektiven als Senator hatte sich Michael Braun wohl anders vorgestellt, nachdem er den Job endlich, nach 35 Jahren Mitgliedschaft in der Berliner CDU, ergattern konnte. Nur elf Tage war er im Amt. Dann holte ihn eine Affäre ein, die laut Stellungnahme der zuständigen Anwaltskammer juristisch nicht zu beanstanden sei. Er habe notarielle Beglaubigungen zu Verträgen über "Schrottimmobilien" (Tagesspiegel) vorgenommen. Käufer dieser Immobilien fühlen sich über den Tisch gezogen.
Berlins Regierendem Bürgermeister und Chef der SPD-CDU-Koalition, Klaus Wowereit, musste das bekannt gewesen sein, dennoch machte er Braun zum Justiz- und Verbraucherschutzsenator. Affären und Filz haben in Berlin (West) eine lange Tradition. Unter Dietrich Stobbe (SPD) gab es den Immobilieskandal um den Baulöwen Dietrich Garski, worüber Stobbe im Januar 1981 stürzte. Nach einem sechsmonatigen Intermezzo von Hans-Jochen Vogel (SPD) kam es zu vorgezogenen Neuwahlen. Richard von Weizsäcker (CDU) übernahm den Job.
Da Weizsäcker aus Parteiräson zur Wahl angetreten war, aus Westdeutschland kam und im Berliner CDU-Geflecht keine Wurzeln hatte, hielten sich handfeste Polit-Affären in Grenzen. Erst unter seinem Nachfolger, Eberhard Diepgen (CDU), knirschte es wieder kräftig im Politgebälk, weil der damalige Baustadtrat Wolfgang Antes (CDU) auf jede Menge Heinrich Haffenlohers¹ aus der Bau- und Puffszene traf, die ihn mit Barem zuschmissen. Diepgen erhielt vom Bauunternehmer Kurt Franke 75.000 D-Mark als Spende.
Fünfzehn Jahre später, 2001, Diepgen war nach zweijähriger Absenz (1989-91) wieder Regierender Bürgermeister, stolperte er über den Berliner Bankenskandal und die darin verwobene Graue Eminenz der Berliner CDU, Klaus-Rüdiger Landowsky, und trat nach erfolgreichem Misstrauensvotum zurück. In der Folge wurde das ganze Ausmaß der kriminellen Handlungen zu Lasten der Steuerzahler sichtbar.
Offenbar hat Diepgen-Zögling Braun aus all den Skandalen nichts gelernt oder nichts lernen wollen. Anders ist kaum zu erklären, weshalb er sich im Dunstkreis dubioser Immobilienverkäufer bewegte und sich auch noch zum Senator berufen und vereidigen ließ. Wer Brauns Webseite besucht, bekommt einen Eindruck seiner Ansinnen und stellt zudem schnell fest, dass sie schlecht gepflegt wird. So spricht er vom Verhältnis der Berliner CDU zur "PDS", obwohl die sich längst Die Linke nennt.
Auch Missverständliches bis Putziges ist da zu lesen. Etwa, dass Braun sich zu "Augenmaß" und "zur Integration der Ausländer" bekennt, sich in seinem Wahlkreis "für den Schutz der geschlossenen Villengebiete in Nikolassee" einsetzt und bis 2006 Vorsitzender des Tempodrom-Untersuchungsausschusses war. Nun hat sich Braun mit einem Kunstgriff aus dem Amt verabschiedet, an dem jeder Arbeitsberater seine Freude hätte, könnte er Braun doch im Falle eines Antrags auf Arbeitslosengeld eine Sperrfrist verordnen.
Gemäß einer Regelung im Senatorengesetz der armen, kaum noch als sexy zu bezeichnenden Hauptstadt entfallen Übergangsgelder, wenn ein Senator zurücktritt bzw. selbst kündigt. Arbeitehmer in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erhalten in solch einem Fall kein Arbeitslosengeld. Sie erhalten auch keins, wenn sie einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen oder eine einvernehmliche Kündigung.
Jurist Braun hatte elf Tage Zeit, sich in die Besoldungs- und Übergangsgeldregelungen einzulesen und kam dann zu dem Schluss, sich kündigen zu lassen, um so noch in den Genuss von schlappen 50k zu kommen - einem Betrag, für den die meisten Facharbeiter und Angestellten ein bis zwei Jahre arbeiten müssen. In Anlehnung ans Bundesbesoldungsgesetz stehen Braun für die ersten drei Monate nach seinem Abgang drei Gehälter (Eingruppierung B, Stufe 11) zu und für weitere drei Monate hälftiges Gehalt. Es sei denn, jemand klagte erfolgreich dagegen.
¹ Heinrich Haffenloher ist eine von Mario Adorf gespielte Figur in der ersten Folge des Fernseh-Sechsteilers Kir Royal, Erstausstrahlung 22.09.1986.
© Hubertus Molln
© GeoWis (2011-12-16)