"If you are not part of the answer, you are part of the problem" (Jo Banks, 1980)
Feine Gesellschaft
Von Jochen Henke (2011-12-17)
Gerade hat Bundespräsident Christian Wulff öffentlich erklärt, dass er das private Darlehen für sein Haus (500.000 €) nicht von seinem Kumpel Egon Geerkens erhalten hatte, sondern von dessen Gattin. Nun fällt Geerkens ihm in den Rücken, indem er gegenüber dem Spiegel behauptet, das Geld stamme von ihm. Es sei lediglich über das Konto seiner Gattin an Wulff geflossen, weil er nicht wollte, "dass irgendein Bank-Azubi" die Sache publik machen könnte. In Osnabrück, Wulffs Heimatort und Geerkens Wirkungsstätte, gehören beide Familien zur feinen Gesellschaft.
Nichts ist üblicher als sich bei einer Bank oder Sparkasse ein Darlehen für einen Immobilienkauf zu beschaffen, vor allem wen man als Sicherheit ein respektables Einkommen vorweisen kann. Als Berufspolitiker hätte Wulff dies nicht schwerfallen sollen. Weshalb also einen Freund anbetteln? Wegen fünf-, sechs oder zehntausend Euro Zinsersparniss pro Jahr? Oder damit Bankpersonal nicht plappert? Wer soll das glauben?
Bankangestellte und -auszubildende sind der Diskretion verpflichtet. Verstoßen sie dagegen, bekommen sie in der Finanzwirtschaft normalerweise kein Bein mehr auf den Boden. Kreditgeschäfte in dieser Größenordnung und mit dieser Prominenz werden zudem nicht von zu Schalterdienst Verpflichteten abgewickelt. Beim Ministerpräsidenten als Kreditnehmer darf man davon ausgehen, dass der Filialleiter oder Vorstand sich die Ehre nicht hätte nehmen lassen, die Sache zu bearbeiten, Bonitätsprüfung inklusive.
Was für die Mehrzahl von Häuslebauern und -käufern zum Normalen gehört, nämlich Darlehen bei einem Kreditinstitut aufzunehmen, war für Wulff keine Option. Stattdessen begab er sich in die Abhängigkeit - und mögliche Erpressbarkeit - eines gewieften Unternehmers, der seiner Frau, notariell abgesichert, laut Spiegel ein Darlehen für ein Haus in Florida gegeben habe. Wulff nennt ihn einen Freund. Doch Geerkens - Bank-Azubis aufgepasst! - entpuppt sich plötzlich als Plaudertasche. Solche Freunde braucht kein Mensch.
Längst geht es nicht mehr nur um eine mögliche Vorteilsnahme im Amt wegen etwaiger Zinsersparnis. Es geht inzwischen um die Glaubwürdigkeit des obersten Deutschen, der von Angela Merkel ins Amt geschoben wurde. Die Bundeskanzlerin sah sich jüngst sogar in der Position, ihrem ins Schloss Bellevue abgeschobenen ehemaligen - und für die Bundestagswahl 2013 einst potentiellen - Konkurrenten Absolution zu erteilen, nachdem er die Öffentlichkeit erneut fehlinformiert hatte.
Wulffs Eiertanz um die tatsächlichen Vorgänge, und die Salamitaktik, die er aus der gemeinen Politik kennt und offenbar verinnerlicht hat, sollten für einen Rücktritt ausreichen.
© Jochen Henke
© GeoWis (2011-12-17)