Feinde im Innern
Die deutschen Verfassungsschützer sind durch die Zwickauer Terrorzelle mächtig ins Gerede gekommen. Inzwischen stellen sie eine Gefahr für die Demokratie dar und gehören abgeschafft. Teil 2
Von Tom Geddis (2012-02-05)
Vielleicht wird die Talk-Runde bei Günter Jauch vom vergangenen Sonntag - Thema: Jagd der Verfassungsschutz die Falschen? - einmal in die ARD-Sendergeschichte eingehen, war sie doch ausgesprochen erheiternd. Dort saßen der Vize-Fraktionschef der Linkspartei, Dietmar Bartsch, der eigenen Angaben zufolge seit über 20 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird; Vera Lengsfeld, Ex-Bürgerrechtlerin, Ex-Stasi-Opfer, Ex-CDU-Politikerin, die die Linkspartei für verfassungsfeindlich hält; Heribert Prantl, Publizist und Leitartikler der Süddeutschen Zeitung; Peter Frisch, Ex-Präsident der Kölner Schlapphüte-Zentrale; Alexander Dobrindt, rechtes Sprachrohr der CSU und deren Generalsekrtär. Eine illustre Runde also, die heterogener kaum hätte zusammengestellt werden können.
Besonders Frisch, in dessen Amtszeit ein Teil der von der Zwickauer Terrorzelle mutmaßlich verübten Verbrechen fällt, konnte einem leid tun, bekam er doch von Bartsch und Prantl heftig die Mütze. "Wir beobachten Bestrebungen", sagte er etwa im Hinblick auf die Überwachung von Parlamentariern der Linkspartei und erhielt eisigen Gegenwind von Bartsch und Prantl, der zum Einen die Ansicht vertrat, die "Beobachtung" gehe über den demokratischen Grundanspruch hinaus", zum Anderen äußerte, man könne "den Verfassungsschutz auflösen".
Bartsch und Prantl fielen dem bemühten Frisch immer wieder ins Wort, was nicht gerade von guter Gesprächskultur zeugte. Während sie den gesetzten Herrn jedoch argumentativ an die Wand drängten, fiel Vera Lengsfeld nicht viel mehr ein als ihre Abneigung gegen die Linkspartei darzulegen, vermengt mit ihren Erfahrungen als Stasi-Opfer. Letzteres müsste eigentlich Grund genug für Lengsfeld sein, die Überwachungspraktiken des Verfassungsschutzes ebenso zu geißeln. Doch hier nahm die Dame eine Paralaxenverschiebung vor, indem sie die Überwachung rechtfertigte.
Mit derlei Kleinklein hielt sich CSU-Dobermann Dobrindt erst gar nicht auf. Er, einer gepflegten Gesprächskultur ungefähr so fern wie Syrien von der Demokratie, nutzte die Gelegenheit zu parteipolitischer Propaganda und forderte Bartsch auf, "mit dem Sauhaufen" aufzuhören. Ausgerechnet! Dabei fischt die CSU in Bayern seit Jahrzehnten am rechten Rand, versteht Bürgernähe und Wählerwerbung gerne auch als Gelegenheit, reichlich Maßen zu stemmen und ließ jahrelang die rechtsradikale Wehrsportgruppe Hoffmann in oberfränkischen Wäldern den paramilitärischen Umsturz trainieren. Der bayrische Verfassungsschutz hatte sie damals (1973-80) zwar im Visier, verboten aber wurde sie vom Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP).
Es ist stets das gleiche Muster: Die Linke im Land wird unter Generalverdacht gestellt, während die Rechte für salonfähig gehalten wird. Wer sich gegen das herrschende, auf Ausgrenzung von Andersdenkenden beruhende System stellt, wer aktiv am demokratischen Prozess teilnimmt, indem er sich mit den strukturellen Benachteiligungsmechanismen auseinandersetzt, gilt per se als potentieller Umstürzler, als Verfassungsfeind, als Stachel im Arsch der die so genannte Mitte und deren rechten Rand vertretenden Parteien.
Dabei bringen die Mitte und der rechte Rand dieses Land nicht weiter, sondern sind lediglich bestrebt, den Status quo zu halten. Abnicker, Hinnehmer, Relativierer. Nirgendwo lässt sich das gerade besser erkennen als an der Aussage des SPD-Chefs Sigmar Gabriel, der zur Bundestagswahl 2013 auf einen "Lagerwahlkampf" verzichten will, und an den sesselfurzerischen Äußerungen des hellgrünen Hannoveraners Jürgen Trittin, der - wie viele seiner einstigen Pulloverhäkler - wie eine Offshore-Windradsäule ohne Propeller auf dem Realo-Sediment verharrt. Substantielle Kritik am Verfassungsschutz? Fehlanzeige.
Jeder siebente Funktionär innerhalb der NPD sei ein V-Mann, berichtete das Nachrichtenmagazin n-tv bereits vor knapp zehn Jahren. Diese Einschätzung gilt noch heute, aber niemand weiß, ob es nicht inzwischen jeder fünfte oder dritte ist. Die Frage, ob nicht die Schlapphüte die Funktionärsstruktur der NPD und anderer rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen längst beherrschen oder sie signifikant stützen, ist schwer zu beantworten. Der Verdacht aber, dass ohne die V-Leute die Führungsstrukturen innerhalb der Rechtsradikalen zusammenbrächen, liegt nahe.
Denn anders als zu Zeiten des Dritten Reichs, während dem die Nazis auf einen intellektuellen Überbau und zigtausende rhetorisch sattelfeste Kader verfügten, sammeln sich am heutigen rechten Rand jede Menge Dumpfbacken, Zukurzgekommene, Gewaltbereite, Hetzer und Jonglierbare. Zöge man die V-Leute ab, fehlte es letztlich an intellektueller Substanz.
Tom Geddis
GeoWis (2012-02-05)
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