Kein Satan in Florida
Die USA genießen den Ruf, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. Das gilt auch für Gesetze, wie Roman Leuthner im vorliegenden Buch eindrucksvoll zeigt.
Von Maja Neldner (2012-02-07)
Kaum zu glauben, aber es gibt neben den deutschen Steuergesetzen noch skurrilere, vor allem in den USA, wie Roman Leuthner in seinem bereits 2009 erschienenen Hardcover Nackt duschen streng verboten nachweist. Wer die Amis schon immer für sonderbar gehalten hat, zumindest die, die für nationale, bundesstaatliche und kommunale Gesetzgebung zuständig waren und sind - nicht zu vergessen jene auf Bezirks- und Kreisebene -, bekommt mächtig Futter, sobald er dieses Buch liest. Denn den Schwerpunkt darin bilden realitätsferne Gesetze aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
So dürfen Frauen in Vermont ohne Erlaubnis ihres Gatten kein künstliches Gebiss tragen und Paare dürfen sich erst dann küssen, wenn sie sich ihre Lippen zuvor mit karbolsaurem Rosenwasser abgewischt haben. Nun ja, Vermont, mag man denken. Hinterwäldler. Doch weit gefehlt. Im texanischen Dallas steht der Besitz "realistisch aussehender Dildos" unter Strafe. In San Antonio, Texas, ist flirten per Blickkontakt oder Handsignal verboten, ebenso die Reaktion darauf. Wahrscheinlich gilt: Füll den Ollen/die Olle ab und mach ihn/sie dann lang.
Leider sind die skurrilen Verbots- und Gesetzesauswüchse nicht auf zwei, drei Bundesstaaten beschränkt, wie Leuthner darlegt. Das Kaleidoskop an interessanten Beklopptheiten zieht sich durch das ganze Land und liest sich, als hätte es die Crème de la Crème des internationalen Kabaretts zusammengestellt. In North-Carolina darf man nicht onanieren, in Minnesota nicht nackt schlafen, in Wyoming nicht im Kühlhaus poppen und in Illinois, in der Stadt Champaign, nicht in den "geöffneten Mund seines Nachbarn urinieren".
Die Verbotslisten für erotische und sexuelle Präferenzen sind lang und lebensfern, jedenfalls aus europäischer Sicht. Leuthner listet Küssregeln auf, deren zeitliche Begrenzung aberwitzig erscheint. Sie reichen von maximal einer Sekunde bis zu fünf Minuten. In einigen Regionen darf nicht nackt geschlafen werden, sind Badewannen verboten oder Sex mit Tieren, die kleiner als 30 cm sind.
Männer, die Beifahrerinnen unter 17 Jahren chauffieren, können verhaftet werden, wenn die Girlies weder Schuhe noch Socken tragen; in Washington D.C. darf man nur in Missionarsstellung für Nachwuchs oder Spässken sorgen; in Virginia - you name it! - nur im Dunkeln; und in Idaho ist es verboten, vom Kamel aus zu angeln. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass man sich in Tylertown, Mississippi, nicht "mitten auf der Hauptstraße" rasieren darf.
In Colorado müssen "freilaufende Katzen Rücklichter tragen", in Texas die Hunde; in Maryland dürfen Löwen nicht mit ins Kino genommen, in Alaska Elche nicht aus dem Flugzeug geschubst werden. Im Bundesstaat New York dürfen Männer nicht mit Schuhen umherlaufen, wenn diese "nicht zum Jackett passen", was vielleicht nachvollziehbar wäre. Nicht mehr nachvollziehbar ist allerdings, dass in Cleveland, Ohio, "Frauen keine Lackschuhe" tragen dürfen, weil Männer ihnen mittels möglicher Reflexion unter den Rock blicken könnten, und in Inglis, Florida, der Satan Hausverbot hat.
Auf 140 Seiten hat Leuthner, der 2011 mit Co-Autorin Alexandra Leuthner mit Der Luftraum darf nicht mit dem Fahrrad verletzt werden nachgelegt hat, schier unglaubliche Gesetze zusammengetragen, die ein - wenn auch rudimentäres - Spiegelbild einer Nation vermitteln, wie es ihr nicht recht sein kann. Doch auch andere Länder weisen durchgeknallte Verordnungen und Gesetze auf.
In Uruguay ist das Duellieren zwischen Männern erlaubt, wenn sie Blutspender sind; in China ist das Retten Ertrinkender verboten, weil nicht in ihr Schicksal eingegriffen werden darf; in der Mongolei wird ausgepeischt, wer die Milch einer trächtigen Kamelstute stiehlt; in Israel dürfen Männer mit Nachnamen "Cohen" keine geschiedenen Frauen heiraten; in Kanada darf man den Rasen während Regens nicht mähen; in Australien dürfen nur "staatlich zugelassene" Elektriker Glühbirnen auswechseln, auf Fußwegen muss zudem links gegtangen werden.
Andere Länder, andere Sitten mag man meinen, doch was Leuthner zusammengestellt hat, geht weit über Sitten hinaus. Als Leser muss man aufpassen, dass man keinen Lachkrampf bekommt. Das Risiko einzugehen, ist diese Lektüre unbedingt wert, zumal inzwischen eine erweiterte Version aufgelegt wurde, und - in Deutschland - nicht verboten.
© Maja Neldner
© GeoWis (2012-02-07)
Roman Leuthner: Nackt duschen streng verboten. Die verrücktesten Gesetze der Welt. Hardcover, 142 S., ISBN 978-3-8094-2184-9, Bassermann, München.