Spiel der Geschlechter mit gezinkten Karten
Roy F. Baumeister, einer der prominentesten Sozialpsychologen Amerikas, hat das Verhältnis der Geschlechter auf wissenschaftlichem Niveau untersucht.
Von Wolfgang Körner (2012-06-18)
1971 verursachte Esther Vilar mit ihrer Streitschrift Der dressierte Mann einen Skandal. Die meisten Frauen, so ihre provokante These, nutzten das sexuelle Begehren der Männer raffiniert aus, um sie zum Erwerb von möglichst viel Geld zu motivieren, mit dem sich Frauen ein möglichst luxuriöses Leben finanzieren ließen.
Wer die Wahrheit sagt, so hört man oft, sei nirgendwo willkommen. Mag sein. Die deutsch-argentinische Autorin und Ärztin Vilar wurde jedenfalls hierzulande nicht nur von Feministinnen derart verfemt, dass sie kurzerhand ihren Hauptwohnsitz nach London verlegte. Bei einem prominenten Universitätsgelehrten wie Baumeister kann man das offensichtlich schlecht machen. Aber: Obgleich seine Veröffentlichungen sonst gewöhnlich weltweit diskutiert werden, wird seine neueste Arbeit von den Mainstream-Medien nahezu totgeschwiegen. Das macht das Buch umso wichtiger.
Dabei ist Baumeister kein Frauenfeind. Er arbeitet erfolgreich mit Wissenschaftlerinnen zusammen und führt in seinem Werk einen "imaginären Feministen" ein, der gelegentlich Gegenpositionen zur Sprache bringt. Doch der Autor verhehlt nicht seine Ansicht, dass es letztlich sinnlos sei, mit kämpferischen Feministinnen zu diskutieren, die zum Beispiel fordern, Urinale aus öffentlichen Toiletten zu entfernen und für die es "Schlafen mit dem Feind" bedeute, mit einem Mann ins Bett zu gehen.
Er hält nichts von Feindschaft zwischen den Geschlechtern. Er hält sie für ein - weit überschätztes - feministisches Konstrukt. Die tatsächlich vorhandenen, keineswegs kleinen Unterschiede zwischen den Geschlechtern arbeitet er dennoch überzeugend auf. Von der kürzeren Lebenserwartung von Männern bis hin zur Tatsache, dass sie es sind, die in sämtlichen Gesellschaften die schwierigsten Arbeiten zugewiesen bekommen und ihr Leben im Krieg aufs Spiel setzen sollen.
Dass Wissenschaftlerinnen weniger Spitzenleistungen erbringen als ihre männlichen Pendents, führt er nicht - wie die meisten Feministinnen - auf eine unsichtbare "Glasdecke" zurück, die männliche Seilschaften errichtet hätten, sondern auf die Haltung von Frauen, die für Erfolg im akademischen Betrieb erforderlichen Anstrengungen zu vermeiden.
Die Neurobiologin Louann Brizendine etwa, auch in Deutschland bekannt geworden durch ihr Werk Das weibliche Gehirn. Warum Frauen anders sind als Männer, spürte den Ursachen solcher Unterschiede nach. Sie stellt schlüssig dar, wie spätestens im 30. Lebensjahr hormonelle Umstellungen sämtliche anderen Interessen von Frauen zu Gunsten des Wunsches nach dem eigenen Kinde in den Hintergrund drängten. Die so genannte biologische Uhr, deren Existenz wohl jeder Mann irgendwann erfahren hat, tickt also.
Der Evolutionstheorie Charles Darwins, seinem Survival of the Fittest, gewinnt Baumeister verblüffende Einsichten ab. Definiere man Erfolg als Überleben der Gene, seien die meisten Männer im Gegensatz zu Frauen erfolglos. In Folge des Umstands, dass sich Frauen weltweit für jenen möglichen Partner entscheiden, von dem sie sich für gemeinsame Kinder optimale Lebensbedingungen versprechen, werden Männer häufig zu Verlierern im Kampf um die Fortpflanzung.
Den meisten Frauen gelingt allerdings die Weitergabe ihrer Gene für eine nächste Generation, wobei Alphamänner von ihnen bevorzugt werden. Weniger erfolgreiche Männer bleiben häufig von der Fortpflanzung ausgeschlossen. Erfolgreiche Männer hatten bis zur Entdeckung wirksamer Empfängnisverhütung so viele Nachkommen, dass noch heute Gene Dschingis Khans in verblüffend vielen Asiaten nachweisbar sind.
Wenngleich die Beziehung zwischen den Geschlechtern auch von Konkurrenz bestimmt wird, müssen Männer ständig Leistungen erbringen, falls sie von Frauen erwählt werden wollen. Ihre darauf ausgerichtete Libido zwingt sie ständig zum Streben nach Höchstleistungen. Frauen hingegen unterliegen diesem Druck nicht. Sie bemühen sich nur, dem männlichen Geschlecht als möglichst begehrenswert zu erscheinen. Modehersteller und Kosmetikunternehmen erzielen deshalb erhebliche Umsätze.
Roy F. Baumeister untersucht auch die Ursachen für die Tatsache, dass Frauen auf den obersten Etagen von Wirtschaftsunternehmen, etwa auf Vorstandsebene, noch immer unterrepräsentiert sind. Erfolgreich sind sie nur dort, wo ein Unternehmen überschaubar ist und Beziehungen auf persönlicher Ebene angelegt werden können.
Kein Wunder. In den unter sachlichen Aspekten strukturierten Hierarchien großer Unternehmen können sie ihre emotionale Intelligenz (die erst seit 1980 von der Wissenschaft thematisiert wird) weniger wirksam einsetzen als in kleineren, in denen man seine Mitarbeiter noch persönlich kennt.
Männer und Frauen sind nun einmal verschieden. Baumeister, und das vor allem macht die hier besprochene Veröffentlichung wichtig, plädiert dafür, "dass sie sich gegenseitig für das schätzen, was sie tun und können, anstatt sich zu wünschen, dass sie etwas anderes täten".
Bei allem versteht es der Autor, dieses Buch so anzulegen, dass wissenschaftlicher Jargon durchgängig vermieden wird. Er bringt persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zur Sprache, und das oft nahezu vergnüglich. Fazit: Esther Vilar hat Recht.
© Wolfgang Körner
© GeoWis (2012-06-18)
Roy F. Baumeister: Is There Anything Good About Men? How Cultures Flourish By Exploiting Men. Hardcover mit Schutzumschlag, 306 S., ISBN 978-0-19-537410-0, Oxford University Press, 2010.
(Deutschsprachige Lizenzausgabe unter dem Titel: Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut? Übersetzt vonJürgen Neubauer. Huber, Bern, 2012)