China macht Ernst
Am vergangenen Dienstag veröffentlichte das Pressebüro des chinesischen Staatsrats (Information Office of the State Council) ein White Paper zur Reform des Justizsektors, in dem es neben mehr Transparenz und Korruptionsbekämpfung auch um Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit geht.
Von Hao Feng (2012-10-11)
Im Juli dieses Jahres berichtete die Online-Ausgabe der größten englischsprachigen Nachrichten-Webseite Chinas, chinadaily.com.cn, dass künftig Online-Auktionen von beschlagnahmten und per Gerichtsurteil oder -beschluss eingezogenen Vermögensgütern kommissionsfrei über die dem Obersten Volksgerichtshof (Supreme People’s Court) unterstellte Auktionsplattform taobao.com zu bevorzugen sei. Taobao bietet von Bekleidung über Mobiltelefone bis zu PKW nahezu alles an, weshalb die Web-Plattform sich auf den ersten Blick kaum von anderen unterscheidet.
Dooch die Plattform wird von oberster Instanz beobachtet, was einerseits der Transparenz und der Bekämpfung von Korruption dienen, andererseits den Käufern die Kommissionsgebühren ersparen solle, die zwischen 0,2 und fünf Prozent liegen. Was sich vergleichsweise harmlos anhört, hat es in sich. Schon seit Jahren werden von regionalen und lokalen Gerichten, von Provinzkadern, Polizei- und Militärchefs beschlagnahmte oder als Geschenke erhaltene bewegliche Güter, vorzugsweise PKW, anonym online und auf geheimen, illegalen Auktionen versteigert, ohne dass eine Kontrolle über den rechtmäßigen Erwerb der Anbieter hinterfragt wird.
Mit der Etablierung der staatlichen Auktionsplattform - vergleichbar mit den Auktionen der hiesigen Zollbehörden - soll die Rechtmäßigkeit des angebotenen Produkts gewährleistet werden, wie auch die Identifizierung des Anbieters. Zwar garantiert diese neue Plattform nicht das Ende illegaler Auktionen, ist aber ein erster Schritt zur sukzessiven Bekämpfung dieses lukrativen Geschäfts, zumal die neuen Regelungen alarmierend auf korrupte Kader und Geschäftemacher wirken dürften.
Das allerdings ist nur eine Sequenz der im White Paper niedergeschriebenen Initiativen zu mehr Rechtstaatlichkeit im bevölkerungsreichsten Land der Welt, das in Bezug auf seine ökonomische Stärke und hinsichtlich seiner Exportdaten mittlerweile auf Platz zwei rangiert. Erst kommt das Fressen, dann alles Andere.
Und da ist China schneller als alle anderen Länder es bisher gewesen sind. Umweltverschmutzung? Hat die westlichen Natioinen vor dem Zweiten Weltkrieg nicht interessiert. Und auch nach dessen Ende brauchen sie noch zwischen zwanzig bis dreißig Jahren, bis sie die Problematik mittels Gesetzgebung in den Griff zu bekommen versuchten.

In China, dem Land, das in der Architektur und im Konsum von Telekommunikations-Devices längst Maßstäbe setzt, werden alljährlich zigtausende Menschen zu lebenslanger Haft verurteilt, in Irrenanstalten geschickt, zwangssterilisiert, mit der Todesstrafe belegt. Die meisten Verurteilungen dieser Größenordnungen werden von den Gerichten der - Bundesstaaten gleichkommenden - Provinzen ausgesprochen. Der Supreme Court Chinas bestätigt sie häufig, muss nun aber umdenken und die von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCH) im White Paper formulierten Direktiven bis in die lokalen Gerichte beobachten und - sofern sich Kläger zu Unrecht verurteilt fühlen und in die nächste Instanz gehen - am Ende Recht sprechen.
Mit dem White Paper hat sich die KPCH und die von ihr gestellte Regierung ein 132-Punkte-Programm aufgestellt, von dem laut China Daily bereits 108 Programmpunkte in die Tat umgesetzt worden seien. Einfach nachprüfbar ist das noch nicht, jedenfalls nicht umfassend. Doch es ist ein zu begrüßender Ansatz, wenn sich das Land, dass in der Geschichte und Entwicklung der Welt eine wesentliche Rolle gespielt hat und wieder spielt, sich nun verstärkt innenpolitisch engagiert.
© Hao Feng
© GeoWis (2012-10-11)