Der vielgefragte Angstgegner
Mit der Veröffentlichung seiner Einnahmen durch Reden und Vorträge geht Peer Steinbrück, designierter Kanzlerkandidat der SPD, in eine Transparenz-Offensive.
Von Nina Brenthäuser (2012-10-31)
Peer Steinbrück hat allein in den vergangenen drei Jahren 95 Reden bezahlte Reden (12.11.2009-29.08.2012) gehalten, manchmal sogar zwei pro Tag, wie es der von den Wirtschaftsprüfern Warth & Klein Grant Thornton vorgelegte Bericht ausweist. So am 17. Juni 2010 in Düsseldorf und Essen (zu je 15.000 €). Zwei Bücher hat er auch noch geschrieben (Unterm Strich; 2010; Zug um Zug; 2011).
Das ist ein enormes Pensum für einen Bundestagsabgeordneten, der ja im Prinzip im Parlament präsent sein müsste. Doch wer bei Agenturen als Celebrity Speaker gelistet ist, wird viel vermittelt. Karteileichen lohnen sich nicht. Seinen Schreibern wie ihm gebührt allerdings allerhöchstes Lob. Jede Rede muss geschrieben und dann vorgetragen werden. Das ist zeitintensiv. "Sieben Bundestagssitzungen" habe er während dieser Zeit versäumt, so Steinbrück. Dies allerdings erscheint im Vergleich zu anderen Abgeordneten als verschwindend gering.
Immerhin ist er nach seinem Abschied als Bundesfinanzminister (Oktober 2009) nicht in die Wirtschaft gegangen, was vielleicht auf Altersgründen beruhte. Dennoch: Er machte weder den Bangemann (FDP; Telefónica) noch den Koch (CDU, Bilfinger Berger), nicht den Schily (SPD, SAFE ID Solutions, inzwischen insolvent), nicht den Schröder (SPD, Gazprom) und auch nicht den Clement (SPD, Adecco Zeitarbeit).
Mit der Veröffentlichung seiner Einkünfte über die bisher geltenden Richtlinien hinaus ist Steinbrück seinen Kritikern, die ihn als Angstgegner für die Bundestagswahl 2013 betrachten, fulminant und mit feiner norddeutscher Spitze entgegengetreten, nachdem diese ihn, angeführt von CSU-Haudrauf Alexander Dobrindt, CSU-Chef Horst Seehofer und dem seit Amtsantritt ungeschickt agierenden FDP-Generalsekretär Patrick Döring, dazu aufgefortert hatten. Letzterem empfahl dessen Parteifreund Wolfgang Kubicki (Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef) jüngst, sich bei Steinbrück zu entschuldigen.
An vorderster Stelle der Transparenz-Aufforderer stand auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder. Der Kraichgauer, der im Austeilen stets kaltschnäuzig auftritt, ist seit Steinbrücks Veröffentlichung ebenso kleinlaut geworden wie alle anderen, die zuvor ihre Mäuler so weit aufgerissen hatten, wie das sonst nur Nilpferde schaffen. Steinbrück hat zwar nicht so detailliert offengelegt wie sein Parteifreund Norbert Gansel das zu seiner Abgeordnetenzeit jahrelang mit seinen Steuererklärungen praktizierte, aber er hat seine Kritiker in mächtigen Zugzwang gebracht.
Die winden sich nun und versuchen recht scheinheilig auf Steinbrücks generierte Einkünfte von mehr als einer Million Euro (erzielt binnen drei Jahren) abzuheben, was lächerlich erscheint. Die streicht Roland Koch als Vorstandschef von Bilfinger Berger locker pro Jahr ein und hält nicht halb so viele Reden.
© Nina Brenthäuser
© GeoWis (2012-10-31)