Revolution im Alltag
Vor über 100 Jahren begann das Leben von Frauen in den Industriestaaten eine historische Wende zu nehmen. Daran beteiligt: die Waschmaschine.
Von Simone ten Breck (2013-06-03)
Emmeline Pankhurst (1858-1928) gilt als Begründerin der Frauenrechts- und Emanzipationsbewegung in den entwickelten Ländern. In Deutschland haben sich auch Clara Zetkin, Minna Cauer, Henriette Goldschmidt und - neben Weiteren - Gertrud Bäumer diesbezüglich schon früh einen Namen gemacht. Auch die Schriftstellerin Doris Lessing (Das goldene Notizbuch) wird gerne hinzugezählt, wenngleich sie sich vor über 30 Jahren davon distanzierte.
Frauen hatten, abgesehen von monarchischen Herrscherinnen und listigen Konkubinen, im 19. Jahrhundert nicht viel zu sagen und kaum Rechte. Ihre Rolle beschränkte sich auf die Haushaltsführung und Kindeserziehung, selbst wenn sie bürgerlich oder großbürgerlich eingeheiratet hatten und über einen Stab an Hausangestellten verfügten. Wer als Frau das Glück hatte, über ausreichend Mittel verfügen zu können, war meist am Puls der Zeit, sprich: konnte sich manch technologische Invention, zuweilen Müßiggang, Literatur und - nicht selten - einen charmanten Zugehmann leisten.
Wer arm war, konnte das alles nicht, hatte demzufolge alles selbst zu erledigen, oft zu ertragen. Wer arm und unverheiratet war, suchte sich eine Anstellung als Magd oder Dienstmädchen und hoffte auf ein Auskommen. Trotz der Gefahr oder wegen der Möglichkeit, vom Landlord, dessen Sohn, dem Gärtner oder Knecht geschwängert zu werden. Kaum eine Magd oder Hausangestellte schaffte es, sich aus der Abhängigkeit so zu lösen wie die Romanfigur Emma Harte in Barbara Bradford Taylors 1979 erschienenem Bestseller A Woman of Substance (dt.: Des Lebens bittere Süße; 1980).
Der Masse der Frauen waren Pankhurst und deren Mitstreiterinnen kein Begriff, zumindest keiner, der ihnen den Alltag erleichterte. Ihre Helden waren die ihnen meist unbekannten Erfinder und Tüftler neuartiger Geräte für den Haushalt. So die von Alva J. Fisher 1901 patentierte elektrische Waschmaschine, das elektrische Bügeleisen Anfang des 20. Jahrhunderts oder der von George B. Simpson inventierte Elektroherd (1859), der ab den 1920er Jahren zum Massenprodukt wurde.
Auch Kühlschrank (1834, Alexander Twinning), Gasherd (ca. 1880, James Sharp), Nähmaschine (1873, Joseph Priesner), Fön (ca. 1900, AEG; später: Pistolenfön, Jean Mantelet, MOULINEX), Staubsauger (1908, James Murray Spangler) und Spülmaschine (1893, Josephine Cochrane) eroberten zunehmend die Haushalte. Als direkte Auswirkung verloren jene Hausangestellten ihre Arbeit, die durch den Einsatz der Elektrogeräte ersetzt werden konnten. Wer nicht entlassen wurde, dürfte die modernen Geräte als Arbeitserleichterung verstanden haben.
Dort, wo es keine Bediensteten gab, in der Mehrzahl der Haushalte, erleichterten sie nach und nach den Hausfrauen nicht nur den Alltag, sondern lieferten ihnen als Nebenprodukt etwa das kostbare Gut Zeit. Als dann noch der Schnellkochtopf (1927, SILIT) auf den Markt kam, der sozusagen das Fastfood der frühen Jahre ermöglichte, gesellte sich zur Zeitersparnis auch die von Energiekosten.
Vor allem die elektrische Waschmaschine entpuppte sich als segensreich, die ohne Wasserzu- und ableitungen allerdings nicht funktioniert hätte. Im kaiserlichen Deutschland des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts mahlten die Mühlen langsam, soweit es die Patentierung technologischer Neuerungenin Bezug auf den Nutzen für die Allgemeinheit anging. Den Zahn der Zeit vermochte das preußische Beamtentum dennoch nicht aufzuhalten.
Zwar nachgeordnet gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen in den USA, konnten deutsche Hausfrauen und Haushalte sich damalige State-of-the-Art-Haushaltsgeräte dennoch anschaffen, wenngleich nicht flächendeckend. Die Geräte waren für Ottonormalverbraucher zu teuer und Ratenzahlung war noch nicht verbreitet. Doch wie heutzutage jeder Teenager ein Smartphone besitzen möchte - und viele inzwischen eins besitzen - wünschten sich die Frauen von damals eine Waschmaschine.
Schwerer als heute, in einer Zeit, in der man ohne Smartphone noch mühelos zurechtkommt, indem man sich einen Festnetzanschluss anschafft, einen öffentlichen Fernsprecher aufsucht oder sich mal eben das Handy von Mama, Papa, Bruder, Schwester, Freund oder Freundin ausborgt, hatten es die Frauen vor 100 Jahren sicherlich. Mal eben eine Waschmaschine ausleihen? No way. Einen Fön? Wer besaß den schon? Einen Schnellkochtopf? Bei Nachbars? Vielleicht.
Es gab Standesdünkel. Es gab Scham. Es gab vor allem den Mann im Haus, der es der Frau untersagte, in der Nachbarschaft um etwas nachzufragen. Ehre war der Grund. Wenn die Männer von heute wüssten, was die Frauen schon damals alles drauf hatten, würden sie sich wahrscheinlich fragen, worauf sich ihr Dasein eigentlich gründet. Nun gut, sie wissen es nicht.
In gewisser Weise hat ihnen die Technologie einen Strich durchs Reflektieren gemacht. Das Kleinhirn hat dann registriert, dass die entsprechende Region wenig beansprucht wird und ein paar Gänge heruntergeschaltet. Es soll ja heute noch - klassenübergreifend - Männer geben, die keinen Gedanken daran verschwenden, wie das frisch gewaschene und gebügelte Hemd auf den Kleiderbügel gelangt ist oder stets saubere Unterhosen im Fach liegen.
Die Waschmaschine gehört zu den vielen nützlichen technologischen Errungenschaften, die insbesondere den Frauen das Leben einigermaßen angenehmer machten und noch heute machen. In Deutschland wurde jedoch noch bis weit in die 1960er Jahre in mit Kohle oder Holz befeuerten Bottichen Wäsche gekocht, die in Gemeinschaftswaschküchen aufgestellt waren, und das Waschbrett eingesetzt.
Mit dem Waschen an sich war die Arbeit noch nicht erledigt. Das Auswringen von Hand bei Bettwäsche, Tischdecken und Badetüchern, nicht selten zu zweit, war ebenfalls noch weit verbreitet. Trotz Bügeleisens wurden flächige Wäscheteile in Kunststoffkörben zum Heißmangeln geschleppt.
Ab Mitte der 1960er Jahre wurden in Mietshäusern Wäscheschleuderautomaten in den Waschkellern aufgestellt, die obsolet wurden, nachdem der Waschvollautomat das Schleudern übernommen hatte. Bald hieß der letzte Schrei Einbauküche, die mit Elektro- oder Gasherd und Waschmaschine ausgestattet werden konnten.
Zu den ersten in Deutschland gehörte die Gütersloher Firma Miele, die 1970 mit ihrem Modell W 440 dem Trend, in Einbauküchen bewährte wie nützliche Haushaltsgeräte zu integrieren, einen Schub gab. Neben dem Kühlschrank und dem Herd war das die Waschmaschine, obgleich sie kein Küchengerät war. Der knappe Raum heiligte manchmal die Mittel, bedeutete eine in die Einbauküche integrierte Waschmaschine immerhin, sich nicht ständig zur auf Keller- oder Dachgeschossebene aufgestellten Maschine begeben zu müssen.
Es bedarf für - nicht nur - jüngere Generationen einiger Phantasie und gewollter Näherung, um sich ein Bild davon zu machen, wie sehr einige in unserem Alltag selbstverständliche und aus ihm kaum noch wegzudenkende elektrisch betriebene, schon vor mehr als 100 Jahren erfundene Maschinen uns das Leben leichter machen.
© Simone ten Breck
© GeoWis (2013-06-03)