Meist Springer und Läufer, selten Bauer
Maurice Strong galt jahrzehntelang als umtriebiger Mann in Sachen Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung. Wer aber ist diese in der europäischen Öffentlichkeit wenig bekannte, doch umso schillerndere Figur? Teil 4
Von Tom Geddis (2013-08-22)
Strongs Einfluss auf politische Entscheidungen, besonders umweltpolitische, mag angesichts seines fortgeschrittenen Alters heute gering sein, während das, was er vor mehr als 20 Jahren gesagt hat, inzwischen in Ämter und zu Würden gekommene Nachwuchs-Grüne, Planetenretter und elitäre Naturschutzapologeten immer noch beeinflussen dürfte.
1990 erklärte Strong sinngemäß in einem Interview, dass sich jedes Jahr auf dem in Davos, Schweiz, stattfindenden World Economic Forum sämtliche wichtigen Vorstandsvorsitzenden multinationaler Konzerne, Regierungschefs und deren Finanzminister sowie führende Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen träfen, deren Ziel es sei, die ökonomische Agenda für das Folgejahr zu bestimmen.
Heute weiß man, dass das so ist, doch 1990, als es noch kein Internet für Lieschen Müller und John Doe gab, wussten große Teile der Bevölkerungen der westlichen Welt nichts darüber. Und in der Sahel-Zone und in allen Regionen, in denen die Masse der Bevölkerungen sich weder Zeitungen noch Internetzugänge leisten kann, oder deren Internet-Informationen gefiltert werden, weiß man das meist immer noch nicht. Davos rückte erst gegen Ende der 1990er Jahre in den Fokus kritischer Nicht-Regierungsorganisationen und aufgeweckter Individuen, und diffundierte nach und nach in jene Öffentlichkeit, die sich für die großen Fragen interessierte.
Dass Strong 1990 längst zu einer faschistoiden Elite mit global-sozialistischem Anstrich und radikaler Anhäufung von Geld gehörte, bestreitet der Mann bislang nicht. In seinem legendären Interview fügte er hinsichtlich globaler Umweltrisiken und im Sinne des Elitevereins Club of Rome in Frageform, was längst eingetreten war. "Was wäre, wenn eine kleine Gruppe von Welt-Führern sich darauf verständigte, dass die grundsätzlichen Risiken für die Erde von den reichen Ländern ausgehen?"
In Anbetracht von Strongs Biographie lässt schon diese Frage Raum für Spekulationen darüber, wen der Kerl eigentlich fragte und was für eine Antwort er erwartete. Fragend wie mahnend geht es weiter, ein wenig im Sinne seiner Gattin. "Und falls die Welt überleben sollte, hätten die reichen Länder eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die die negativen Einflüsse auf die Umwelt beschränkten."
Letzteres war bereits 1990 keine neue wissenschaftliche Erkenntnis. Strong hatte wie mancher TV-Koch einfach das zusammengerührt, was seit den späten 1950er in einschlägigen Wissenschaftsdisziplinen Gegenstand der Diskussion war, kraft seiner Position aber so getan, als hätte er etwas Neues präsentiert. Er hat sich dabei wissenschaftlicher Unsitte bedient, derzufolge immer dann, wenn man nichts weiß oder sich nicht sicher ist, etwas zu wissen, die Frageform gewählt wird.
"Werden sie es tun? Werden die reichen Länder übereinkommen, ihre Umweltbelastungen zu reduzieren? Werden sie übereinstimmen, die Erde zu retten." Na klar! Strong hatte es deutlich angemahnt. Die Frageform ist immer ein gutes Stilmittel, und wenn sie mimisch unterstützt wird, kann sie, das weiß jeder Lehrer, niemand missverstehen.
Zwei Jahre nach dem Interview fand die 2. UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro statt, die drei Jahre lang, maßgeblich von Strong, vorbereitet worden war. Maurice Strong, der Weitsichtige? Er hatte damals vor dem Forum in Davos der Politik-, Militär- und Finanzelite das vorzeitige Fazit gezogen, dass die "World Leader" eine solche Übereinkunft nicht schafften. Ein klare Aufforderung, es anzugehen.
Um Strong zu verstehen, muss man verstehen, wer ein - auch ökonomisches - Interesse an Umweltschutz hat. Anders gesagt: Wenn die Welt durch Umweltverschmutzung zu Grunde gehen sollte, würden alle darunter leiden. Auch die monströs Reichen. Sie könnten sich für ihren Reichtum nämlich eines nicht kaufen: das eigene Überleben in einer ökologisch nicht balancierten Welt. Es ginge schlimmstenfalls nur noch um Schnappatmung - wie bei allen Anderen. Doch Strong und seine Gleichgesinnten waren nicht doof. Sie wussten, wie man das Überleben der Menschheit monetarisiert, wobei ihnen das Überleben des größten Teils der Menschheit Jacke war - und ist.
Der UN-Gipfel von Rio 1992, zu dem rund 20.000 Akkreditierte aus aller Welt anreisten und allein schon durch die Nutzung des Flugzeugs gigantische Umweltverschmutzung in Kauf nahmen, war für Strong und seine global tätigen Partner ein Erfolg. Die Begriffe nachhaltige Entwicklung und Agenda 21 verbreiteten sich rasend schnell, fanden konzeptionellen Eingang in die Hochschulen und wurden sowohl in den Geo- und Agrarwissenschaften als auch in den Wirtschaftswissenschaften von weit- wie kurzsichtigen Hochschullehrern in die Köpfe der Studierenden gehämmert.
Dagegen stemmten sich - in Deutschland - einige Aufgeweckte aus dem konservativen Lager und brachten den Begriff Öko-Diktatur ins Spiel, ohne den Mut aufzubringen, gegen den damaligen Dauerkanzler Helmut Kohl vorzugehen, der entweder nicht durchblickte, welche Dimensionen der Agenda 21 innewohnten, oder sie verstand und akzeptierte.
Nun ist nachhaltige Entwicklung nicht notwendigerweise ein schlechtes Konzept und der Fahrplan zu einer ökologisch gesünderen Welt in Gestalt der Agenda 21 ebenso wenig. Schlecht daran ist, dass eine global operierende Elite, zu der Strong gehört, auf Kosten der Verbraucher den Rahm abschöpft und deren Freiheitsrechte und individuelle Lebensweisen massiv einschränkt. Denn bei näherer Betrachtung des Konzepts vom globalen Umweltschutz fällt auf, dass es Zentralismus zur Folge hat.
Das lässt sich am deutlichsten am supranationalen Konstrukt Europäische Union erkennen. Ohne Not haben die anfangs nur der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) angehörenden Mitglieder nach und nach ihre Souveränität als Nationalstaaten zum sozialen und ökonomischen Nachteil ihrer Bevölkerungen hintertrieben, sich vom Bilateralismus verabschiedet und strategische Handlungsfelder an Brüssel und die nicht demokratisch gewählte EU-Kommission abgegeben. Grundlage dafür ist der Maastricht-Vertrag (1992), der allerdings inzwischen so oft modifiziert wurde, dass er als fulminantes Forschungsgebiet betrachtet werden darf.
Haben vor Maastricht die EG-Mitgliedsländer und die an diesen Wirtschaftsraum assoziierten EFTA-Länder (etwa Schweden) noch selbst darüber bestimmen können, auf welche Weise sie Umweltschutz, Strukturpolitik oder Wirtschaftsförderung betreiben, ist seit Maastricht Brüssel dafür zuständig und lässt es sich fürstlich von den Mitgliedsstaaten aus öffentlichen Geldern bezahlen.
Nirgendwo auf dem Globus existiert eine größere Anzahl an Beamten und aus öffentlichen Mitteln finanzierten Arbeitnehmern als in Belgien. Nirgendwo, weder in Washington noch in Beijing oder Berlin, sitzen so viele Lobbyisten von Unternehmen, die versuchen, ihre Interessen durchzusetzen und sie in Verordnungen und Richtlinien einfließen zu lassen. Ohne das Abnickverhalten der jeweiligen mandatrsträger in den Parlamenten wäre das nicht möglich geworden. Demokratie? Nur ein Wort.
Doch der von einer faschistoiden Politit-, Konzern- und Finanzoligarchie betriebene Eurozentrismus ist lediglich ein Bereich, der auf eigennützige Propheten wie Strong und Seinesgleichen zurückzuführen ist. Dem Inhalt seiner Rede von Davos 1990, der damals schon eine kommunikationstheoretische Redundanz kaum abzusprechen war, wurde seitens der Staaten in den Jahren danach gefolgt. Das Kyoto-Protokoll kam zustande. Die Steuerlast auf Energienutzung im Haushalt und den Treibstoff für Transportmittel wie das Auto nahm exorbitant zu. Inzwischen darf man in öffentlichen Gebäuden und privatwirtschaftlich betriebenen Gastronomiebetrieben nicht mal mehr rauchen.
Weltweit zahlen in den Schwellenländern und Industrienationen die Verbraucher die Zeche für eine Umweltpolitik, die ihnen oktroyiert wird, während für Öl- und Gas-Driller, Wasserhändler, Chemie-Giganten im Agro-Business und energieintensive Unternehmen Ausnahmeregelungen gelten. Niemand kassiert so viel Fördergelder wie gesunbde Unternehmen, die darauf nicht angewiesen sind. Die Zeche zahlen Lieschen Müller und John Doe. Zu verdanken haben wir das Leuten wie Strong.
Maurice Strong, eine durchaus schillernde Persönlichkeit, die in rhetorischer Maskerade und politischer Camouflage geübt war, hat sich nie für Umweltschutz interessiert. Er war lediglich eine notwendige, auch wichtige Figur im Schachspiel der neuen Weltordnung. Springer, Läufer oder Turm. Nur selten Bauer.
Vor Figuren wie Strong hatte der langjährige US-Senator und Jurist in seinen beiden Büchern The Greening Of America und Opposing The System eindringlich gewarnt. Sie setzen Agendas in Eigeninteresse und verkaufen sie der Öffentlichkeit, die alles zahlen soll und muss, als unabänderliche Notwendigkeiten.
Dabei setzen solche Figuren auf die Bräsigkeit der größten Teile dieser Öffentlichkeit, insbesondere in so genannten demokratischen Systemen. Auf jene etwa, die sich den Gang zur Wahlurne sparen und sich dabei noch für intelligent halten, Nichtwähler also. Auf jene, die so weit konditioniert und/oder auf staatliche Wohlfahrtssysteme angewiesen sind, dass sie froh sind, über die Runden zu kommen. Auf jene auch, die immer wieder die gleiche Partei wählen, ohne zu reflektieren, was die für eine Politik betreibt.
Heruntergebrochen auf Deutschland müsste das, was seit den vergangenen 20 Jahren seiner Bevölkerung an Drangsalierung und Knute dargeboten wird, ausreichen, um sich zu besinnen und auf die Barrikaden zu gehen. Doch die lahme Mehrheit der Deutschen, die genauso wie die lahme Mehrheit anderer Industrieländer immer noch glaubt, dass man am Bestehenden nichts ändern könne, ermöglicht es solch sinistren Figuren wie Maurice Strong, ihr Tagwerk zu bestreiten.
Sie, die lahme Mehrheit, lässt sich in den Nachrichten vorführen, wie jene aufrechten Minderheiten von den Sicherheitskräften verprügelt oder erschossen werden und glaubt, dass es schon die Richtigen treffe. Es ist die jonglierbare Masse, die nicht kapiert oder kapieren will, dass sie jonglierbar ist. Sie kapiert auch nicht, dass sie damit jederzeit einer Diktatur oder einer faschistoiden Elite in die Karten spielt. Die Elite, zu der Maurice Strong gehört, aber weiß, wie man das Spiel spielt.
© Tom Geddis
© GeoWis (2013-08-22)
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