Wake Me Up, True Love, and Get Lucky!
Sommerhits sind so lange etwas Wunderbares, bis sie nerven.
Von Maja Neldner (2013-09-02)
Zum Sommer hin, und zu Weinachten, muss man als Popmusiker schon etwas aufbieten, damit die Leute auf Festivals und zu Konzerten gehen. Am besten ist es, wenn man für den Sommer mit einem hitverdächtigen Song aufwarten kann, der im Winter entwickelt und im Frühjahr präsentiert wird. Damit ein Hit daraus wird, ist auch in den eher regenreichen Sommern Mittel- und Nordeuropas Sonne nötig.
Viele Sommerhits sind im Herbst oder Winter schon wieder passé und werden bestenfalls im nachfolgenden Sommer wieder aufgelegt, oder erst, wenn mal wieder Sommerhits-Kompilationen in die Regale gepresst werden. Manche Sommerhits überdauern den Sommer jedoch, weil sie schlicht gute Songs sind.
Wie Get Lucky der französischen Band Daft Punk, bei dem der US-amerikanische Hip-Hopper Pharrell Williams mitgewirkt hat. Daft Punk, gegründet 1993, hatten in Frankreich immer wieder mal Hits, doch Get Lucky katapultierte sie diesen Sommer in den internationalen Pop-Himmel.
Der mit einem gewöhnlichen Intro beginnende Song, das durchaus dem Philadelphia-Soul der 1970er Jahre entstammen könnte, entwickelt eine Dynamik, wie sie hierzulande lange nicht zu hören war, wenn es um Sommerhits ging.
Sofort mauserte er sich zu einem Gute-Laune-Ohrwurm, befördert vor allem durchs Radio. Ganz gleich, ob man in den mit Sand aufgeschütteten künstlichen Großstadtstränden seine Seele baumeln ließ, ob man am Strand in einem Urlaubsdomizil war oder auf irgendeiner Autobahn im Stau stand. Solange die Sonne schien, konnte man sich nicht davor schützen, von diesem Song angezogen zu werden.
Ein anderer Ohrwurm dieses Sommers kommt aus Schweden. Wake Me Up von Avicii. Tim Bergling, intellektueller Kopf dieses Projekts, hat eine geschickte Mischung aus Folkgitarre, Singer-Songwriter-Stimme und flotter Elektronik hingelegt und wie Get Lucky die Leute in den Discos in Scharen auf die internationalen Dancefloors gescheucht. Jaja, die Schweden. Gelegentlich hauen sie richtig gute Hits raus. Wie die Franzosen. Man denke nur an Caroline von MC Solaar (1992), einem der besten Hip-Hop-Stücke jener Zeit.
In der Kategorie Rockröhre hat diesen Sommer ganz klar die aus Chicago stammende Pink mit ihrem Song True Love die Konkurrenz dominiert. In ihrem Video lässt sie ihren Mann, ein auf Grund seines umfänglich tätowierten Körpers lebendes Kunstwerk - ähnlich wie beim Schalker Fußballspieler Jermaine Jones - auftreten und singt fröhlich "(…) you’re an asshole, but I love you (…)".
Damit, und dem Kontext, trifft sie mitten ins Herz und Hirn aller Frauen, die auf Kerle stehen und sie lieben, weil es Kerle sind. Und permanent zwischen Himmel und Hölle sind.
2013 gibt es, anders als in den vergangenen Jahren - etwa 2010, als die Dänin Aura Dione gleich mehrere Hits raushaute, oder 2009, als Chairlift mit Bruises einem im Ohr lagen - nicht den Sommerhit. Es sind mindestens diese drei, und der eine oder andere Popmusik-Liebhaber hätte wahrscheinlich noch einige hinzuzufügen.
Jetzt wissen wir’s und es wird Zeit, dass zumindest das Wiederholungsgedudel dieser Hits morgens, mittags, abends im Radio zum Ende kommt. Vor allem aber morgens, wenn bundesweit mit dem Auto zur Arbeit gefahren wird.
© Maja Neldner
© GeoWis (2013-09-02)