Verliebt in die Erde
Der Leipziger reprint-Verlag hat das Gespräch mit der Erde von Hans Cloos neu aufgelegt.
Von Tom Geddis (2013-11-13)
Geologen ist Hans Cloos ein Begriff. Als erster Deutscher war er (1948) mit der prestigeträchtigen Penrose-Medal ausgezeichnet worden, die nach ihm noch ein zweiter deutscher Geologe erhielt (Walter Hermann Bucher, 1960). Seit dem Jahr 2000 existiert der Hans-Cloos-Preis für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Fach Geologie.
Cloos, der eine Hochschul-Odyssee hinter sich hatte - begonnenes Studium der Architektur in Aachen, Wechsel ins Fach Geologie nach Bonn, dann nach Jena, anschließend aus familiären Gründen nach Freiburg, wo er 1910 promovierte - und sich 1914 an der Phillips-Universität Marburg mit der Schrift Jura-Ammoniten aus dem Molukkengebiet habilitierte -, war ein umtriebiger Geologe.
Seine erste außereuropäische Forschungsreise führte ihn 1910 ins damalige Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia) in den Erongo-Gebirgszug, in dem er u.a. Gesteinsproben untersuchte und auf Granit stieß. Danach heuerte er bei der Standard Oil Corporation an und ließ sich nach Borneo abordnen, um dort auf dem indonesischen Teil (heute: Kalimantan) und auf der Insel Java nach Erdöl-Lagerstätten zu suchen.
Während des Ersten Weltkriegs war Cloos auch für Krupp tätig, um Nickelvorkommen ím damals zu Deutschland, heute zu Polen gehörenden Schlesien ausfindig zu machen, wo er später einen ähnlichen Granit wie den im Erongo entdeckte.
Noch während des Ersten Weltkriegs, 1917, erhielt er eine Anstellung als Vertretungsprofessor an der Universität Breslau (Wrozław) und wurde 1919 auf den Lehrstuhl für Geologie als Nachfolger von Fritz Frech berufen.
Seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse publizierte er in zahlreichen Fachzeitschriften, wissenschaftlichen Abhandlungen und Büchern. 1947 kam Gespräch mit der Erde bei Piper & Sohn heraus, das nun vom Leipziger reprint-Verlag neu veröffentlicht wurde. Es sind gewissermaßen die Reise- und Forschungsmemoiren eines Geologen, dessen Anliegen stets auch war, die Inhalte seines Faches der Öffentlichkeit näherzubringen und Studierende für es zu begeistern.
Cloos war verliebt in die Erde - sowohl in ihre geomorphologische Erscheinung, als auch in das, was darunter liegt. Den Aufbau unseres Planeten fand er spannend. Bewegungen, Verschiebungen, Schichtungen und die damit verbundenen Veränderungsprozesse faszinierten ihn, wie dem Buch zu entnehmen ist, das ein dem Bleisatz nachempfundenes Schriftbild aufweist.
Neben seinen detaillierten Beschreibungen in teils literarischer Form, lässt er durchgehend das Fach einfließen. "Gegen Abend kommt Kreta außer Sicht. Zwei Nächte und einen Tag später wird das azurblaue Wasser des Mittelmeeres auf einmal trüb und mißfarbig. Das macht der Nil. Ohne das Land zu sehen, sind wir in Afrika. Abessinien schickt den Rest seiner diesjährigen Lehmernte", schreibt er während der Überfahrt nach Ägypten.
In seine präzisen Beobachtungen, die mit persönlichen Gedanken und Empfindungen angereichert sind und aus heutigem Blickwinkel mitunter Profanes in sich tragen mögen, mischen sich wissenschaftlich verifizierbare Erkenntnisse - dargeboten in allgemein verständlicher Sprache im Duktus jener Zeit. Cloos‘ deskriptiver Sprachstil alter Schule wirkt angesichts der selbst in aktuelle Reiseführer Einzug erhaltenen sprachlichen Rationalität geradezu erfrischend, weil romanesk.
"Nachdenklich treten wir zurück. Denn der kleine Ausschnitt, den wir berühren, spricht von einer Fläche, die den Berg durchschneidet, und ihre Glätte ist Gleitbahn und ihre Streifen sind Spuren einer Schlittenfahrt, deren Schlitten das Gebirge war!", heißt es zu einer Expedition in den Alpen. Er war weit gereist, auch nach den USA, etwa zum Grand Canyon.Und er hatte Freude daran, aufzuschreiben, was er sah und erkannte.
Zu seiner dritten Expedition nach Deutsch-Südwestafrika schreibt er: "Nun lag es hier, verschwemmtes Festland im Getriebe der Brandungsmühle. Ein Geologe der Zukunft wird Sandstein, Schiefer und Mergel vor sich haben, die mit Holz und Knochen vom Lande, mit Schnecken und Muschelgehäusen, Rippen von Fischen und Pinguinen aus dem Meere reichlich durchspickt und doch nichts anderes sind als ein verschobenes Produkt der Wüste."
Neben Cloos‘ wissenschaftlichen Erkenntnissen - er gilt als Begründer der Granittektonik - und prosaischen Talents ist auch das kartographische hervorzuheben. Er besaß die Fähigkeit, Ausschnitte der Erdoberfläche nackt darzustellen, also ohne Bewuchs; genauso konnte er Schichtenstrukturen zeichnen - aussagekräftiger als Fotos damaliger Zeit.
Hans Cloos war ein Naturwissenschaftler, der in einer Reihe mit David Livingstone, Alexander von Humboldt und anderen klassischen Wissenschaftsreisenden des 19. und 20. Jahrhunderts genannt werden darf, ja muss, wenngleich es eine dunkle Zeit seines Schaffens während der düstersten Epoche der Deutschen gab. Sein Gespräch mit der Erde allerdings ist neben seinen rein wissenschaftlichen Beiträgen zur Geologie ein Werk, das heute zeitlos erscheint. Gut, dass es neu aufgelegt wurde.
© Tom Geddis
© GeoWis (2013-11-13)
Hans Cloos: Gespräch mit der Erde. Welt- und Lebensfahrt eines Geologen. Mit einer zusätzlichen Einführung von Peter Rothe. Reprint der Ausgabe Frankfurt und Hamburg 1959. Hardcover, Broschur. 330 S.; ISBN 978-3-8262-3063-9, reprint Verlag, Leipzig, August 2013.