Lachnummer
Ronald Pofalla soll in den Vorstand der Deutschen Bahn AG wechseln. Kritik formiert sich und ist angebracht.
Von Hubertus Molln (2014-01-05)
"Pofallala" heißt der Ex-Kanzleramtsminister im Hörfunkprogramm des WDR 2. Es ist ein regelmäßiges Hörfunk-Feature, das mitunter nervt, weil die nasale Ausdrucksweise Pofalles derart überspitzt wird, dass man sich fragen könnte: Soll ich kotzen, weil der Stimmenimitator so spricht oder weil Pofalla das Original ist?
Merkels Ex-Kanzleramtschef, der planlos durch die NSA-Lauschangriffsaffäre mäanderte, sie gar fälschlicherweise im Sommer 2013 frühzeitig für beendet erklärt hatte, will und soll nun in den Vorstand der Deutschen Bahn AG berufen werden. Warum, weiß niemand in der kritischen Öffentlichkeit so recht. Was prädestiniert ihn dafür? Was kann er zur Entwicklung des Konzerns beitragen? Hat der gelernte Sozialwissenschaftler auch nur irgendeine Zusatzqualifikation, die einen für ihn neu zu schaffenden Vorstandsposten auch nur annähernd rechtfertigte? Hat der Mann - soweit bekannt - nicht.
Bei der Deutschen Bahn sind in den vergangenen Jahren immer wieder Versorgungsposten für überflüssige oder ausrangierte Politiker geschaffen worden, die dann dort mit Streckennetz und Fuhrpark alterten. Innovationen oder umsetzbare neue Ideen hatten diese Leute nicht mitgebracht. Allerdings waren sie bislang mit ihrer Ideenlosigkeit nicht allein. Auch die Vorstandschefs der Deutschen Bahn AG wurden nicht nach ihrer unternehmerischen Kompetenz ausgesucht, sondern nach Parteienproporz und politischem Goodwill.
Den Anfang machte der ehemalige AEG-Chef Heinz Dürr (1991-97), der den „Weiße-Ware“-Konzern AEG (Leitsatz: Aus Erfahrung gut) abgewirtschaftet hatte, allerdings ein Spezi des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl war. Ebenfalls ein Kohl-Mann war der auf Dürr an der Spitze der Deutschen Bahn AG folgende CDU-Mann Johannes Ludewig (1997-99), ehemals Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Zuvor war er an Elite-Hochschulen und erwarb Abschlüsse als Master of Science in Stanford. Über Kompetenzen im Verkehrs- oder Eisenbahnwesen, wie sie etwa an der Ruhr-Uni Bochum gelehrt werden, verfügte der Mann nicht.
Anders Hartmut Mehdorn. Der Mann kam aus der Luftfahrtbranche und brachte ein Ingenieursstudium mit. Er wurde von Ex-Bundeskanzler Schröder in Kohlscher Manier als Chef der Deutschen Bahn AG installiert und hielt sich mehr als zehn Jahre (1999-2009). Immerhin. Mehdorn hatte zwar verkehrstechnologisch Plan, aber kein Fingerspitzengefühl. Er war ein konzerninterner Diktator und rieb sich auf, als die Gewerkschaft der Lokführer (GLS) ihn herausforderte. Dann kam Rüdiger Grube, ebenfalls Ingenieur. Grube erbte insbesondere das von seinem Vor-Vor-Vorgänger Heinz Dürr eingefädelte Projekt Stuttgart21. Dürr, mittlerweile 80, ist Stuttgarter.
Grube ist kein Politprofi. Er ist ein Leitender Angestellter in einem Unternehmen, an dem krakenhafte Saugnäpfe der Politik haften. Doch Grube kam durch Mithilfe von "Pofallala" auf den Chefsessel der Deutschen Bahn AG. Nun hat er die undankbare Aufgabe, diese Personalie seinem Aufsichtsrat zu verkaufen.
Doch der sträubt sich. Namentlich durch Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Fecht und dem im Aufsichtsrat vertretenen Gewerkschafter Klaus-Dieter Hommel. Die Personalie sei seitens der Deutschen Bahn AG "noch längst nicht entschieden", heißt es etwa beim Kanzlerin-Organ Welt Online. "Zunächst würden wir gerne wissen, warum überhaupt noch ein weiterer Vorstandsposten geschaffen werden muss und wie dessen Aufgabenbereich aussehen soll. Und erst am Schluss reden wir über Namen".
Ronald Pofalla kann sich ergo noch nicht sicher sein, ob er bei der Deutschen Bahn AG ein Ruhekissen findet. Im Netz breitet sich seit Bekanntwerden der Personalie ein Shitstorm dazu aus. Und selbst unter seinen CDU-Parteimitgliedern formiert sich Kritik. Transparency International Deutschland sieht in der Abschiebung Pofallas - von Berufung kann keine Rede sein - ein "weiteres Beispiel für den Verfall politischer Sitten".
Von offizieller deutscher Seite wird in Sachen Korruption gern mit dem Finger auf andere Nationen gewiesen. Längst muss sich die hiesige Politikerkaste an die eigene Nase fassen. Stamokap-Kanzlerin Angela Merkel wird wahrscheinlich das letzte Wort in der Causa Pofalla haben. Willkommen in der Neo-DDR! Doch macht sie hierbei einen Fehler, muss sie ihr Zepter abgeben.
© Hubertus Molln
© GeoWis (2014-01-05)