Barbier Hao Juhua
Haareschneiden gilt in China traditionell als Kunst, die von Meistern beherrscht und mit der Moderne konfrontiert wird. Doch wenn es ums Barbiermesser geht, sind die Alten gefragt.
Von Uwe Goerlitz und Shijiao Jiang (2014-06-05)
Juhua Hao ist Friseur aus Leidenschaft. Seit 27 Jahren steht der 58-Jährige Meister in seinem Salon mit Namen Nvrenxin Haoshidian im Zentrum von Ya’an in der Provinz Sichuan. Er hat ihn nach Mozarts Oper Cosi fan tutte benannt, weshalb der vollständige Name lautet: Meister Haos Salon Cosi fan tutte. Oder auf Deutsch komplett: Meister Haos Salon So machen es alle.
Der Salon ist insgesamt kaum größer als ein Mini-Bistro. Vielleicht 20, höchstens 30 Quadratmeter. Vier Schneideplätze vorne, vier Warteplätze direkt dahinter, rechts daneben ein kleiner Kühlschrank, auf dem eine 25-Liter-Wasserflasche steht, und an den Wänden hängen gerahmte Frisurenmodels und Zertifikate.
Im hinteren Bereich werden die Haare gewaschen. Neben chinesischen Produkten kommen auch welche von Schwarzkopf zum Einsatz.
Drei Waschbecken gibt es, doch anders als in den meisten deutschen Salons muss man keine unbequeme Position im Halbliegen einnehmen, um den Nacken auf die Randmulde des Waschbeckens zu legen. Man legt sich völlig in die Horizontale, denn Herr Hao hat Lederliegen. Auf diese Weise wird die Wirbelsäule entspannt.
Mehr als 100 Lehrlinge hat er bisher ausgebildet, worauf er stolz ist. Die meisten haben später ihren eigenen Salon in der Region und in der Stadt eröffnet. Einige von ihnen hat es in andere Regionen Sichuans gezogen, etwa nach Leshan, eine Großstadt gut 300 Kilometer südwestlich von Ya’an. Einer seiner Schüler darf den gleichen Namen für seinen Salon benutzen, in Ya’an. Herr Hao hat den Salon bereits an seinen Sohn übergeben, der sich der Frisurenwünsche der jungen Generation annimmt. Damit alles seine Ordnung habe, sei er nun Angestellter seines Sohnes.
Haarverlängerungen seien bei der jungen weiblichen Kundschaft seit einigen Jahren gefragt und machen den Großteil des Umsatzes aus. Auch Färben der überwiegend schwarzhaarigen Chinesen und Chinesinnen in Blond- und Rottöne sei in Mode gekommen. Undercuts bei jungen Männern sind der letzte Schrei, und Kurzhaarschnitte bei jungen Damen schon länger nichts Neues mehr. Die junge Generation wolle es so und seine Auszubildenden geben hierzu Impulse.
Wenn Herr Hao Haare schneidet, ist sein Rücken durchgestreckt. Er redet nicht viel, konzentriert sich, ganz gleich, welches Schneideinstrument er gerade benutzt. Die von den Jungen gewünschten Schnitte und Frisuren überlässt er seinem Sohn und den anderen Jungen. Natürlich hat er stets alles im Blick, weist sie darauf hin, wenn sie nachlässig werden, und übernimmt komplizierte Feinheiten selbst.
Dann etwa, wenn das Barbiermesser erforderlich ist. Das ist sein Metier. Herr Hao braucht keinen Schaum, um es bei seinen Kunden einzusetzen. Er will sehen, wo er das Messer ansetzt. Ein einzelnes Nasenhaar, Haare an den Ohrläppchen oder in der Ohrmuschel sind flugs rasiert.
Dabei hat Meister Hao so flink die Haut gestreift, dass man es gar nicht gespürt hat. Behände rasiert er Männern auch die Nacken- und Rückenbehaarung, so tief sich der Hemd- oder T-Shirt-Kragen hinabziehen lässt, und mit zwei, drei flinken wie präzisen Ansätzen sind auch die Koteletten getrimmt.
Herr Hao gilt als shifu, als älterer Barbier, und ist ein angesehener Mann in der Straße, in der sein Salon seit 27 Jahren existiert. Er müsste nicht mehr täglich im Salon stehen. Doch viele Stammkunden wollen sich nur von ihm die Haare schneiden oder sich rasieren lassen und nehmen deshalb gerne lange Wartezeiten in Kauf. Er schneide die Haare strikt entsprechend der Charakteristik des Kopfes, sagt er. Das werde geschätzt.
© Uwe Goerlitz, Shijiao Jiang
© GeoWis (2014-06-05)
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