Öttingers Blackout
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Öttinger, hat mit seiner Grabrede zum verstorbenen Nazi-Marine-Richter Filbinger ein Faβ aufgemacht.
Von Maja Neldner (2007-04-15)
Der politische und moralische Wind bläst ihm ins Gesicht. Er kommt nicht nur mehr als Steife Brise. Inzwischen weitet er sich zu einem Orkan aus. Günther Öttinger muβ sich gut verschanzen, um nicht fortgeweht zu werden. Daran kann auch sein Ausdruck des Bedauerns zu seiner Rede kaum etwas ändern.
Mit seiner unfaβbaren Huldigung am Grab des kürzlich verstorben ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs und ehemaligem Marine-Richter unter dem Regime Adolf Hitlers - Hans Filbinger -, hat sich der Chef im Stuttgarter Landtag einmal mehr geoutet, nicht Herr der Situation zu sein. Es ist noch nicht lange her, daβ er Kunstwerke, die sich längst im Besitz des Landes befanden, kaufen wollte.
Zwar relativiert Öttinger seine Grabrede inzwischen, doch ist deren Wortlaut mittlerweile in allen wesentlichen Sprachen und Medien um den Globus gelaufen. Es stellt sich zumal die Frage, was es da noch zu relativieren gibt? Wer derart inbrünstig und klar vorträgt, kann nicht allen Ernstes glauben, daβ man ihn miβverstanden hätte.
Mit seiner Demutshaltung gegenüber einem ausgewiesenen Nationalsozialisten und dem Versuch, ihn sozusagen als Widerstandskämpfer mit Blumen zu bedenken, wirft Öttinger nicht nur einen Schatten auf seine Person, sondern auch auf seine Wählerschaft. Vielleicht sogar aufs Bundesland. Der Stuttgarter MP rudert trotz aller Relativierungsversuche inzwischen nicht nur gegen medial verursachten Wind. Er wird auch zunehmend von Parteifreunden angegangen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihm bereits eine Watschn verpaβt.
Doch es scheint familiär im Ländle zuzugehen. Auf die Altvorderen läβt man nichts kommen. So schreibt der ehemalige Ministerpräsident des Landes, Erwin Teufel, im 2003 erschienen Buch 'Hans Filbinger' (Auszug):
"(...) Der überzeugte Demokrat und erfolgreiche Landespolitiker wurde gegen Ende seiner Amtszeit wegen seiner Tätigkeit in der Wehrmacht des Zweiten Weltkriegs angegriffen, eine Tätigkeit, in die er zwangsweise kam wie alle Altersgenossen seiner Generation. Filbinger, das können wir heute sagen, ist damals das Opfer einer Kampagne geworden. Seit der Wiedervereinigung wissen wir, in welchem Maße die Stasi der DDR mitverantwortlich war für diese Kampagne. Filbinger musste lange auf seine Rehabilitierung warten. Aber sie ist längst erfolgt."
Aha.
© Maja Neldner
© GeoWis (2007-04-15; 11:00:57)
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