Ende der Maydays
In China gingen am Samstag die traditionellen Mai-Ferien zu Ende
Von Wang Wei (2007-05-07)
Angefangen mit den Vorbereitungen zu den Mai-Feiern hatten Kommunen, Provinzen und das höchstoffizielle China in den Provinzhauptstädten und in Beijing bereits um den 20. April. Wie jedes Jahr seit Einführung der einwöchigen Ferien zum 1. Mai - Golden Week - erwarteten vor allem die groβen Städte Besucherandränge aus der Peripherie.
So war es dann auch. Allein am vergangenen Mittwoch statteten knapp 115.000 meist chinesische Touristen und Ausflügler der Verbotenen Stadt in Beijing einen Besuch ab, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, und bescherten dem Nationalheiligtum, das normalerweise für 50.000 Besucher pro Tag ausgelegt ist, den zweithöchsten Andrang seit dem Jahr 2000.
Anders als zum Beispiel in Deutschland, wo der 1. Mai landläufig als Tag der Arbeit bezeichnet wird, obwohl an diesem Tag allgemeinhin nicht gearbeitet wird, gibt es in China eine Woche Urlaub.
Doch während in China - wie auch in anderen sich ehemals der Roten Fahne unterworfenen oder sie noch hochhaltenden Länder - militärische und zivile Paraden stattfinden, die keine oder kaum nennenswerte negative Begleiterscheinungen etwa in Form von Krawallen mit sich bringen und die Bevölkerung die freien Tage zu friedfertigem Feiern, zu Kurzurlauben und Ausflügen nutzt, geht es in manchen deutschen Städten drastischer zu.
Beispielsweise in Dortmund, wo am 1. Mai die Innenstadt bis hinauf zur BAB 40 (früher B 1) zum Leidwesen der lokalen und aus dem Umland angereisten Ausflügler bis in den späten Nachmittag hinein abgesperrt wurde, weil zuvor wieder einmal einer Demonstration von Neo-Nazis stattgegeben worden war.
Oder in Berlin, wo von nur im Krawallmachen traditionsbehafteten Rabauken und gewaltbereiten Nihilisten bereits in der Walpurgisnacht damit begonnen wurde, dem 1. Mai erneut konzept- und geschichtslos zu begegnen und ihn zu miβbrauchen.
Dabei geht der Tag der Arbeiter, eben der 1. Mai, auf Massendemonstrationen bis ins Jahr 1856 zurück, als australische Industrie- und Bergarbeiter den Achtstundentag durchzusetzen versuchten. Drei Jahrzehnte später war es die nordamerikanische Arbeiterbewegung, die Gleiches versuchte und zum Generalstreik aufgerufen hatte.
Zwar verliefen die damaligen Proteste vorwiegend blutig, doch stets mit Forderungen, Proklamationen und Konzepten ausgestattet, die auf die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Lebensqualität zielten. Gewalt um der Gewalt willen, Rassissmus und Diskriminierung um des Rassismus' und der Diskriminierung willen waren nicht die Intentionen. Selbstverständlich - wie während des Kalten Krieges zur Schau gestellt - gehörten auch Militärparaden und das Auffahren von Waffensystemen nicht dazu.
Doch ausgerechnet in jenen Ländern, in den Gewerkschaften verboten oder bestenfalls gedultet sind, oder sich dangerösen Repressionen ausgesetzt sehen, wird der 1. Mai tagelang arbeitsfrei gefeiert. Dort hingegen, wo sich die Demokratie als Vehikel des Kapitalismus als vergleichsweise erfolgreich ausprägt, muβ ab dem 2. Mai die Arbeit wieder aufgenommen werden. Wahrscheinlich fällt dieses Phänomen unter die Rubrik politische Dialektik.
Weder in Berlin, noch in Dortmund war diese Dialektik aufgegriffen worden oder wurde gar für eine Goldene Woche, sprich: Urlaub, protestiert. Stattdessen hielt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seine Hauptkundgebung gewohnt gelackt ab - diesmal in Gelsenkirchen - und drosch Phrasen, ohne am Zahnstein des Phänomens auch nur zu kratzen, wo nach längst bekanntem Befund wohl endlich eine Wurzelbehandlung notwendig gewesen wäre.
Um wieviel besser haben es da die Chinesen doch! Sie schwärmten aus, genossen die Maydays. Mehr als 15.000 kamen laut Xinhua in der nicht eben breiten Long-Qing-Schlucht, unweit Beijings, zusammen. Auch auf dem kleinen Stück der Groβen Mauer bei Badaling im Nordwesten Beijings herrschte Gedrängel. Eine Woche lang war die Hauptstadt überfüllt. Ob auf dem Tiananmen-Platz, im Zoo, im Park des Sommerpalastes oder im Shijingshan-Vergnügungspark - Platz war rar.
Selbst im Botschafts- und Diplomatenviertel in Beijings östlichem Teil des Zentrums - Chaoyang Distrikt - war kaum Platz auf den Gehsteigen oder in den Restaurants, zumal dort eine Pop Music Week veranstaltet worden war, zu der am vergangenen Mittwoch über 60.000 Besucher kamen.
So konnten sich nicht nur die Hotelbetreiber Beijings über eine rund 70prozentige Auslastung freuen, wie die Beijing News berichten, sondern auch andere Metropolen machten ihren Schnitt mit der Golden Week.
Immerhin waren einige hundert Millionen in Urlaubsstimmung und Feierlaune quer durchs Land unterwegs. Freundinnen und Liebespaare genossen etwa in Harbin, Provinz Heilongjiang, auf verschiedene Arten und unterschiedlichen Geräten das Hangeln über den Fluβ (s. a. Titelfoto). Andere, etwa in Shenzhen, suchten Ruhe beim Spaziergang durch die von Wasser und Blumenreihen umgebenen Parks.
Entspannt verbrachten manche auch den einen oder anderen Tag auf Booten. So auf Hainan, der zweitgröβten Insel Chinas - mit Provinzstatus -, auf der man sich nicht nur zu sommerlichen Temperaturen am Strand aalte, sondern auch Fluβfahrten unternommen und genossen wurden.
In der Gegend um Xi'an, Provinz Shaanxi, stand die Terracotta-Armee auf dem Ausflugsplan; in der Provinz Jiangxi waren die Kaskaden in den Jinggang-Bergen der Hit.
Die Eisen-Pagode in Kaifeng, Provinz Henan, war ebenso hochattraktiv wie die stillen Wasser und malerischen Wasserfälle von Jiuzhaigou-Huanglong in der Provinz Sichuan. Kurz: die Goldene Woche wurde von den meisten Chinesen genutzt, um sich einige Attraktionen ihrer unmittelbaren Region oder manche ihres Landes anzusehen, sich daran zu berauschen, sich zu entspannen oder sich zu vergnügen.
© Wang Wei
© GeoWis (2007-05-07; 17:47:49)
© Fotos: Xinhua; newsphoto