Marode Ostfront
Einer der strategisch wichtigsten US-Militärstützpunkte in Asien, Manas in Kirgisien, soll geschlossen werden. Ein Wendepunkt im angeblichen 'Krieg gegen den Terror'?
Von Nina Brenthäuser (2009-02-05) +++ Update siehe unten +++
Wie mehrere asiatische Medien und Nachrichtenagenturen - darunter Xinhua (Beijing) und RIA-Nowosti (Moskau) - unter Berufung auf offizielle Quellen berichten, soll der unweit der kirgisischen Hauptstadt Bischkek gelegene US-Militärstützpunkt Manas demnächst geschlossen werden. Hierzu sei gestern (4.02.2009) ein Gesetzentwurf der kirgisischen Regierung dem Parlament vorgelgt worden, wie etwa China Daily (online-Ausgabe) berichtet.
Der Stützpunkt war kurz nach dem 11. September 2001 eingerichtet worden, um von dort aus in Afghanistan Kampfeinsätze gegen die Taliban zu fliegen und die kämpfenden US-Truppen mit Nachschub zu versorgen. Er diente später auch den Koalitionstruppen als Startbahn und Nachschubbasis.
Hierfür überwiesen die USA Kirgisien zuletzt jährlich etwa 150 Millionen Dollar inklusive der Gebühren für die Nutzung des Flughafens Manas International. Schätzungen zufolge befinden sich auf dem Stützpunkt zwischen 1.000 und 5.000 US-Truppen und um 1.000 aus anderen Ländern.
Bereits vor mehr als zwei Jahren, nachdem die usbekische Regierung den dortigen Stützpunkt Chanabad geschlossen hatte, kündigte Präsident Kurmanbek Bakijew erstmals an, die Basis Manas solle geschlossen werden, allerdings war es bei der Ankündigung geblieben. Einen kräftigen Anreiz für die diesmalige Proklamation, verbunden mit einem Gesetzentwurf, hat Russland, das selbst eine Basis in Kirgisien unterhält und als eigentliche Ordnungsmacht gilt, gegeben.
Nur einen Tag nachdem sich Bakijew mit Russlands Präsident Dmitrj Medwedew getroffen hatte, lag der Gesetzentwurf dem kirgisischen Parlament vor. Wie die Nachrichtenseite eurasianet.org zu vermelden weiß, biete Russland ein Paket im Wert von 2,15 Milliarden Dollar an.
Es beinhalte einen Schuldenerlaß in Höhe von 180 Millionen Dollar, 150 Millionen nicht zurückzuzahlende Soforthilfe, ein Darlehen von 300 Millionen zu extrem moderaten Zinsen (0,75%, 40 Jahre Laufzeit) und Direktinvestitionen von 1,7 Milliarden Dollar. Letztere sollen in Infrastruktur- und Versorgungsprojekte fließen. Etwa ins Kambarata-1-Wasserkraftwerk.
Zwar kann man Bakijew unterstellen, er hänge sein Fähnchen stets in jene Windrichtung, aus der die Dollar am üppigsten fließen, aber gerecht würde man dem knapp 60jährigen Ingenieur damit nicht. Mit den Einnahmen aus der Manas-Basis waren notwendige Großprojekte in der Energieversorgung bisher nicht zu bewerkstelligen, und wären es künftig wohl ebensowenig.
Für die Afghanistan-Strategie des erst wenige Wochen amtierenden US-Präsidenten Obama dürfte der angekündigte Verlust des Stützpunktes ein Problem darstellen. Erst vor einigen Tagen hatte er seinen Plan von einer Aufstockung der Truppen auf 30.000 Mann im Hindukusch-Land kundgetan. Auch für die Koalitionstruppen, die bislang von Manas profitierten, ergibt sich eine neue Situation.
Russland hingegen hätte einen strategischen Sieg davongetragen, würde der Stützpunkt tatsächlich geschlossen. Wie von Premierminister und Ex-Präsident Putin und Präsident Medwedew in den vergangenen zwei Jahren mehrfach den USA angedroht, Russland sähe nicht tatenlos zu, wenn es mehr und mehr eingekreist werde - Auslöser war die geplante US-Raketenstationierung in Polen und Tschechien -, träfe die Schließung Manas' sowohl die USA als auch die NATO an einer empfindlichen Stelle.
Nun bröckelt es an den asiatischen Ostfronten, und auf dem Stützpunkt, von dem aus jüngst noch fröhlich in den Krieg geflogen wurde, kehrt langsam Ernüchterung ein.
Russland öffnet seine Schatullen und konterkariert damit auf zeitlose Weise die "Allianz gegen den Terror". Nicht wenige glauben längst, diese unheilige Allianz befördere den Terror.
Inzwischen herrscht eitles Unverständnis im NATO-Hauptquartier in Brüssel ob des russischen Schachzugs, aber auch an der medialen und politologischen Pro-Kriegsfront. Das Schachspiel, das weiß jeder, beherrscht Russland.
Die dummen Bauern in diesem Spiel sind neuerdings die seit Mitte der 1970er Jahre wie Spaltpilze sich vermehrenden politischen Think Tanks und deren oft fälschlicherweise als hochkarätig bezeichnetes Denk-Personal.
So zitiert eurasianet.org Azamat Temirkulov, einen an der American University of Central Asia in Bischkek tätigen Politologen - die Uni ist eine der vielen von CIA-Angestellten durchsetzten, weltweiten Denkfabriken - mit der lapidaren Aussage: "Die US-Streitkräfte bräuchten noch nicht damit zu beginnen, ihre Taschen zu packen." Möglicherweise ist das eine kolossale Fehleinschätzung.
Paul Quinn-Judge, Bischkek-Repräsentant der zur Kriegslobby zählenden International Crisis Group (New York), wird hinsichtlich der bevorstehenden Schließung des Luftwaffenstützpunktes kleinlaut mit den Worten zitiert: "Das ist aus heiterem Himmel gekommen." Es könnte also bald Schluß mit lustig sein. Die Kündigung seitens Kirgisien wurde ausgesprochen.
Quinn-Judge gehört einer Organisation an, die sich - laut Selbstbeschreibung - als 'non-partisan' versteht, unparteiisch, und als "allgemeinhin bekannte, führende und unabhängige Quelle sachlicher Analyse", und sich rühmt, Regierungen, supranationale Organisationen wie UNO, EU und Weltbank hinsichtlich der "Vermeidung und Lösung tödlicher Konflikte" zu beraten.
Da freut sich der Friedensfreund, aber Russland - wie auch China - irgendwie nicht. Kirgisien scheint auch genug von solcherart überparteilichen Organisationen zu haben. Denn in dieser angeblich philanthropischen Organisation sitzen eine Reihe von Misanthropen, die als unkritisch zum Afghanistankrieg gelten.
Darunter eine Riege ehemaliger Minister, Governeure, Staatschefs des euro-atlantisch-australischen Raums. Auch Milliardäre wie George Soros, Chefredakteure wie Yoichi Funabashi (Asahi Shimbun, Japan) oder ehemalige Kabinettsmitglieder von NATO- und G-20-Staaten gehören dazu.
Als Freunde gelten zudem viele ehemalige Politiker, darunter der deutsche Ex-Außenminister und Ex-Rüpel Joschka Fischer und die Amerikaner Colin Powell (Ex-US-Außenminister) und Condoleezza Rice (Ex-US-Außenministerin).
Finanziell unterstützt wird die Pressure-group von vielen NATO-Staaten, darunter auch Deutschland, von der EU, von jüdischen Organisationen und Stiftungen und von diversen einflußreichen anderen Stiftungen, darunter der Rockefeller- und der Ford-Foundation.
Geld also ist da, um die Taliban zu verjagen und Heeren von Wissenschaftlern und ehemaligen Politikern finanzielle Zubrote zu verschaffen. Nun aber geht Kirgisien von der Fahne, wendet sich Russland zu und straft all die organisierten Pseudophilanthropen Lügen. So, zumindest, sieht es aus.
Auch China dürfte diese neuerliche Entwicklung freuen, grenzt Kirgisien doch ans Reich der Mitte und stellte bisher aufgrund des Manas-Stützpunktes eine Bedrohung für Beijing dar. Und auch Karzai, den von den USA inthronisierten afghanischen Präsidenten, der mittlerweile zaghaft versucht, den Spagat zwischen West und Ost zu leisten und sich schon lange verhandlungsbereit gegenüber den Taliban zeigt, müßte Bakijews Moskau-Schwenk freuen, ergeben sich doch für ihn neue Optionen.
Ärgern wird es den Westen - die NATO, die EU und den stoisch auf Krieg setzenden deutschen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung. Sie alle haben in Bezug auf die Interessen Russlands überzogen, zuletzt, als in Nord- bzw. Südossetien für kurze Zeit Krieg war.
Nun, nachdem die asiatische Ostfront des Westens angesichts der erneuten Verbrüderung zwischen Kirgisien und Russland zu bröckeln beginnt, sollten politische Rationalität und Friedenssinn zu den kriegstreibenden und -führenden NATO-Staaten zurückkehren.
© Nina Brenthäuser
© GeoWis (2009-02-05)
Update (2009-02-21): Am 19. Februar 2009 beschloß das kirgiesische Parlament die Schließung von Manas Airbase. Einen Tag später unterzeichnete Präsident Bakijew den Beschluß.
Links:
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