Ausloten, was geht
Erneut kam es im Südchinesischen Meer zu einem Zwischenfall von US- und chinesischer Marine.
Von Wang Wei und Martin Jasper (2009-03-11)
Die USNS Impeccable (dt.: Die Makellose) sei ein US-Spionageschiff, wie seit Montag mehrere deutsche Konzernmedien verbreiten und sich dabei auf "Washington" berufen. Etwa die Online-Ausgabe des Spiegel. Das Schiff habe sich laut Los Angeles Times (Online-Ausgabe) etwa 75 Seemeilen südlich der chinesischen Insel Hainan befunden, als es von vier (zivilen!?) Schnellbooten und einem Schiff der chinesischen Marine entdeckt wurde, die bis auf etwa acht Meter an die Impeccable herangefahren seien und ihr Holzbalken in den Fahrweg warfen.
Das US-Militär und einige seiner Verbündeten interessieren sich schon lange für Chinas Bereich des Südchinesischen Meeres. Bald auf den Tag genau acht Jahre ist es her, als Anfang April 2001 ein US-Spionage-Flugzeug mit einem chinesischen Abfangjäger in der Region kollidiert war und auf Hainan heruntergebracht wurde.
Viele Monate lang war das Flugzeug war das Flugzeug dann von chinesischen Experten untersucht worden. Nachdem die USA sich entschuldigt hatten, durfte die Crew ausfliegen. Das Fluggerät gab China später an die USA zurück.
Der nun bekannt gewordene Vorfall sorgt zur Stunde immer noch für Verstimmung zwischen China und den USA, nachdem zunächst das US-Verteidigungsministerium die Aktion als "gefährlich, unprofessionell und gegen internationales Recht verstoßend" gegeißelt hatte und der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Ma Zhaoxu, die Karte zurückspielte und nachlegte.
Bezogen auf den jüngsten Vorfall sagte Ma laut der Nachrichtenagentur Xinhua: "Wir verlangen von den Vereinigten Staaten ähnliche Aktivitäten sofort zu stoppen und effektive Maßnahmen zu unternehmen, um künftig solche Aktionen zu vermeiden."
China betrachtet den größten Teil des Südchinesischen Meeres als sein marines Territorium, insbesondere die 200-Seemeilen-Zone ab Küstenlinie. Sprecher Ma verwies darauf, daß die USA gegen die UN-Konvention für Seerecht, das Gesetz über Exklusive Wirtschaftszonen (EWZ; engl.: EEZ) und chinesische Gesetze verstoßen hätten, als sie innerhalb der 200-Seemeilen-Zone operierten.
Seit Jahren herrschen unter den neun Anrainerstaaten des rund drei Millionen Quadratkilometer umfassenden, bis zu 5000 Meter tiefen Südchinesischen Meeres Gebietsstreitigkeiten. Zu China gehören etwa die Kleinstinseln und Atolle Xisha (Paracel-Inseln), Dongsha (Pratas-Inseln), Zhongsha und die am weitesten vom chinesischen Festland gelegenen Nansha (Spratly-Inseln).
Ab welcher Küstenlinie man die 200-Seemeilen-Zone rechnet - ob ab Hainan, der südlichsten und nach Taiwan zweiten Inselprovinz, oder ab Nansha -, ist für den Vorfall, der unblutig verlief, unbedeutend, da er sich innerhalb jener 200-Seemeilen-Zone von Hainan ereignete. Die UN-Konvention zum Seerecht dürfte eindeutig sein.
Dort heißt es: "(...) die Exklusiven Wirtschaftszonen (...) garantieren einem Küstenstaat das Recht, die in den Gewässern und auf dem Meeresgrund auf seinem Kontinentalschelf innerhalb der 200-Seemeilen-Zone vorhandenen Ressourcen zu erkunden, auszubeuten, zu verwalten und zu konservieren - etwa Fisch, Öl und Gas." Von Spionage-Operationen steht dort nichts.
Shi Yinhong, Professor für Internationale Politik an der Renmin Univerity, Beijing, ist laut Los Angeles Times der Ansicht, daß "der Zwischenfall vom Sonntag von beiden Seiten als recht ernst betrachtet" werde. Der Befehl für das Verhalten der chinesischen Boote und Schiffe müsse von höchster Ebene gekommen sein. Dennoch sehe Shi keine bleibenden Störungen der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern.
Die Exklusiven Wirtschaftszonen, wie auch das Südchinesische Meer, gelten (noch) als fischreich. Es werden in der Region auch unterseeische Gas-, Öl- und Mineralienvorkommen vermutet. Doch die mit moderne Sonar-, Meß- und Kartierungselektronik ausgerüstete Speccable war weder zum Fischen unterwegs, noch wollte sie ein Loch in den Meeresboden drillen.
Wie das Pentagon laut Los Angeles Times vom Tage bekanntgab, sei die Impeccable auf einer Mission gewesen, nach "Bedrohungen" zu suchen, "etwa U-Booten", und habe ein Sonargerät zum Scannen und Lauschen von/nach U-Booten, Minen und Torpedos im Schlepp gehabt. Mit seinen "zahlreichen militärischen Einrichtungen" biete Hainan "reiche Beute" für derartige Operationen, zitiert die Zeitung die US-Verteidiger.
Man stelle sich die US-amerikanische Reaktion vor, nähmen chinesische - oder deutsche - Schiffe für sich das Recht in Anspruch, im Golf von Mexiko 75 Meilen vor den Küsten von New Orleans (Louisiana) Tampa (Florida) oder Galveston (Texas) zu spionieren und sich dann auch noch zu beschwerten, wenn sie erwischt würden. Kaum auszudenken? Mitnichten.
Die USA hingegen sind der Ansicht, sich dieses Recht auf allen Weltmeeren herausnehmen zu dürfen. Mark Valencia, Analyst für 'Meerespolitik' hebt den Zwischenfall ins Allgemeine, hingegen nicht Beruhigende.
Die Los Angeles Times zitiert ihn aus einem Beitrag, den er heute in der Far East Economic Review (Online-Ausgabe) brachte: "Solche Vorfälle werden sich wiederholen und gefährlicher ausgehen, und sie sind nicht auf China und die USA begrenzt."
Wer schon mal im Süden Hainans geurlaubt hat, schwärmt nicht unbegründet von weißen Sandstränden um Yalong Bay, von Land's End in Tianyahaijiao, und - vor allem dies - einem Gefühl von Sicherheit, das ihm, dem Touristen, die chinesische Marine bietet, die permanent mit Fregatten in Sichtweite der Strände ankert.
Auch wer an Deutschlands Nord- und Ostseestränden wohnt oder urlaubt, geht davon aus, daß die Küsten gesichert sind und unerlaubtem Eindringen, zumal wenn es sich um militärische oder Spionageschiffe handelt, mit stringenter Obacht begegnet wird. Das ist ein Staat seinen Bürgern wohl schuldig.
© Wang Wei, Martin Jasper
© GeoWis (2009-03-11)
Links/Weiterlesen:
UN-Seerechtskonvention >>