"Ronald Pofalla im Zickzacklauf"
Den Lesern der Welt ist Hans Zippert durch seine tägliche Kolumne Zippert zappt bekannt. Die vorliegende Sammlung neuer Kurzprosa beweist einmal mehr: der Autor ist genial.
Von Klaus Berthold (2009-04-16)
Kolumnen haben es schwer, zwischen zwei Buchdeckeln Leser zu finden, erklärt Zippert in der „Anamnese“ dieses schmalen Bandes, um danach die Bedeutung des Titels eines Buches herauszuarbeiten: sie ist so entscheidend, daß die Texte unerheblich, wenn nicht sogar überflüssig sind. Konsequent, wie der Autor nun einmal ist, kommen wirkliche Krankheiten in diesem Buch höchst selten vor.
Nur von Krebs ist in einem Text die Schreibe, doch auch nur deshalb, weil Zippert, höchst geeignet als Vorsitzender eines 'Weltkongresses der Hypochonder', bei jedem winzigen Picken sofort an einen Tumor denkt. Der Rezensent fühlt sich durchschaut, ertappt. Ja, auch er rennt sofort zum Arzt, wenn ihn ein Mückenstich juckt. Wenn es deren zwei sind, packt man den Koffer für die Intensivstation.
In der Tageszeitung schmunzelt man bei solchen kurzen Texten, blättert weiter und vergißt sie sofort. Ex und hopp. Zwischen zwei Buchdeckeln bekommen sie ein anderes Gewicht. Jetzt erschließt sich dem Leser, wie genau Zippert den Alltag beobachtet, aus dem er, intelligent und äußerst vergnüglich, überraschende Funken zu schlagen versteht.
Konsequent stellt er alltägliche Ereignisse dar, schildert, deutet, kommentiert, kurz, knapp, trocken und ohne die geringste Spur politischer Korrektheit. Er habe sehr gern die Lieder von Carla Bruni gehört, gesteht er im Text „Eifersucht“, was ihm jetzt leider nicht mehr möglich sei, weil er dabei ständig an Nicolas Sarkozy denken müsse, „an diesen aufgeblasenen Zwerg mit Sonnenbrille und geölten Haaren. Das geht eindeutig zu weit. Das wäre ungefähr so, als ob Nena was mit Horst Köhler hätte (…).“
So schreibt Zippert streng subjektiv an seiner Alltagsrealität. Jeder Text ist in sich schlüssig, kippt irgendwann in maßlose, doch konsequente Übertreibung um – und endet meistens, wenn der höchstmögliche Grad von Absurdität erreicht ist. Dieses wilde Denken ist weit mehr als das übliche Instrumentarium aus dem Werkzeugkasten des Satirikers. Es ist eine unverwechselbare Sicht auf die Welt, vergleichbar vielleicht mit der aus Depression gewachsenen Haltung des späten Kurt Vonnegut, dem Zippert in einer seiner Miniaturen Reverenz erweist.
Alles in allem eine Sammlung hervorragender intelligent-ironischer Texte, die hält, was unsere maßlos überschätzten und überbezahlten Fernseh-'Comedians' leider nur versprechen. "Grundsätzlich kann jeder Zustand, in dem man sich gerade befindet, als Krankheit gedeutet werden."
Hans Zippert: Die 55 beliebstesten Krankheiten der Deutschen. Im Selbstversuch getestet. Taschenbuch, 178 S., ISBN 978-3-89320-120-3. Edition Tiamat, Berlin 2008.
© Klaus Berthold
© GeoWis (2009-04-16)