Suche im Dunkeln
Bei der Lokalisierung der Black Boxes des in den Atlantik gestürzten Air-France-Airbusses werden für die Wissenschaft entwickelte Tiefsee-Tauchroboter eingesetzt
Von Maik Mensing (2009-06-05)
Normalerweise kommen die Remote Operating Underwater Vehicle, kurz: ROV, in der Meeresforschung zum Einsatz, speziell in der weitestgehend noch unbekannten Tiefsee. Dort wurden mit ihrer Hilfe in den vergangenen Jahren skurril anmutende neue Spezies - etwa Röhrenwürmer - ebenso entdeckt wie "Methan-Oasen" (Uni Kiel).
Der Flugzeugabsturz der Air France-Maschine mit Flugnummer AF 447, der sich in der Nacht des 1. Junis 2009 über dem Atlantik nordöstlich der brasilianischen Inselgruppe Fernando de Noronha ereignete und 228 Menschen das Leben kostete, darunter letzten Angaben zufolge 28 Deutsche und neun Chinesen, bedingt nun den Einsatz von ROVs, um die Black Boxes - die Flugschreiber - und eventuell Wrackteile und Gepäckstücke aufzuspüren.
Daß Überreste von Passagieren oder Bordpersonal gefunden werden, gilt als unwahrscheinlich. Der Unglücks-Airbus, Modell 330-200, der voll besetzt und beladen 230 Tonnen wiegen darf, stürzte vermutlich aus einer Höhe von mehr als 11.000 Metern auf die betonharte Wasseroberfläche.
Da sein Landegewicht laut Werksangaben höchstens 180 Tonnen betragen darf und von den knapp 140.000 Litern Kerosin, die - vollgetankt beim Take-off - erlaubt sind, angesichts der wahrscheinlich erst rund 3.000 Kilometer Flug nicht genügend verbraucht worden sein kann, um Landegewicht zu haben, war eine Notwasserung, wenn sie es denn gegeben hätte, von vornherein aussichtslos.
Doch wenn die Maschine nicht bereits in der Luft zerbarst, geschah dies beim Aufprall. Überlebenschancen gibt es dann keine.
Darüber herrscht unter Fachleuten Konsens. Seit vergangenen Montag wird wild über die Ursachen des Absturzes spekuliert und inzwischen verdichten sich die Spekulationen dahingehend, daß es Pilotenfehler gegeben haben soll. Tatsache ist, daß ein hunderte Kilometer langes und breites, sowie um 18 Kilometer hohes Gewitter- und Unwetterfeld ('Cluster') die normale Flugroute versperrte.
Die Piloten sollen dieses Feld nicht umflogen und jüngsten Meldungen zufolge sogar mit "nicht angemessener Geschwindigkeit" zu durchfliegen versucht haben, wie die Online-Ausgabe der französischen Tageszeitung Le Monde kühn berichtete. Dies hieße, die Piloten hätten einen Fehler begangen - womit etwa Airbus aus der Haftung wäre.
Mittlerweile hat die brasilianische Marine ihre Behauptung zurückgezogen, erste Wrackteile an der Meeresoberfläche gefunden zu haben. Daß aus Pietätsgründen auch die Suche nach Leichenteilen nicht aufgegeben wird, ist obligatorisch. Was tatsächlich zum Absturz geführt haben könnte - Unwetterfront, Blitzeinschlag, Pilotenfehler oder technischer Defekt als Ausgangspunkt - ist einstweilen ungewiß.
Umso wichtiger ist es, die Flugschreiber zu finden, was sich in der bathypelagischen Zone - dem unter der vermuteten Unglücksstelle herrschenden lichtlosen Raum des Meeres - als ausgesprochen anspruchsvolles Vorhaben gestalten dürfte.
Auf 6.000 Quadratkilometer haben die Suchtrupps das Absturzgebiet nun eingegrenzt, eine Fläche, die 22 mal so groß ist wie das Kommunalgebiet Dortmunds oder fünfeinhalbmal wie das von Berlin. Die vom französischen ozeanographischen Institut Ifremer, Sitz Toulon, auf den Weg gebrachten ROVs, die bis in 6.000 Metern Tiefe operieren können, sollen nun die Flugschreiber aufspüren, die in mindestens 3.000 Metern Tiefe vermutet werden.
Die Geräte sind die weiterentwickelten, modernen Pendante zu dem bereits 1952 von Auguste Piccard konstruierten und dessen Sohn erprobten Tiefseetauchboot Trieste (23.01.1960, Marianengraben, 10.910 m).
Indes, sie können gerade mal einen Drittel Quadratkilometer pro Tag absuchen, weshalb es schlimmstenfalls mindestens 50 Jahre dauerte, bis die Flugschreiber gefunden würden; bestenfalls nur wenige Tage.
Daß sie gefunden werden sollten, ist schon deshalb notwendig, um die Absturzursache nicht einfach auf die Piloten schieben zu können.Doch erstmal muß klar sein, wo überhaupt gesucht werden soll.
© Maik Mensing
© GeoWis (2009-06-05)
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